Die Chinesen kommen - Engels in Wuppertal und Marx in Trier

Friedrich Engels. Marx Engels Forum CC BY

Was fällt Ihnen ein zu Wuppertal? Die Schwebebahn, die seit 1901 über der Wupper durch die Stadt schwebt. Else Lasker-Schüler, die Dichterin und Künstlerin, die dort geboren wurde, aber nicht bleiben konnte, weil sie aus einer jüdischen Familie stammte. Zwar wurden das Museum und der Kunstpreis der Stadt nicht nach ihr benannt, sondern nach dem segensreichen Herrn von der Heydt, der in der Schweiz für die Nazis und die Degussa das Zahngold aus den KZs zu Devisen wusch, mit denen bis 1942 in den USA und in Schweden  Öl und Waffen für die Wehrmacht eingekauft werden konnten. Immerhin gibt es ein Denkmal für Else Lasker-Schüler - wenn auch ohne jegliche Information, so doch mit zwei gegenüberliegenden Porträts. Da kann sie sich selber ansehen.

Noch was?

Friedrich Engels wurde 1820 in Wuppertal geboren. Weltweit zu Ruhm und Bedeutung gelangt als Philosoph, Autor, Historiker, Ökonom, Wissenschaftler, Verfasser des Kommunistischen Manifests, der Deutschen Ideologie und der Kritik der Politischen Ökonomie. Als 18-jähriger verließ er Wuppertal,  blieb aber bis heute der international bekannteste Wuppertaler. Das gefällt nicht allen WuppertalerInnen. Den wohlhabenden Bürgern verständlicherweise nicht, weil  sie ihre Vermögen natürlich vor jedem sozialistischen Gedanken beschützen müssen. Ihren politischen Parteigängern behagt der kritische Engels folglich auch nicht. Und die SPD muss sich ja zwanghaft  gegen alles abgrenzen, was links von ihr gedacht und gemacht wurde und wird.

Folglich gab es kein Denkmal für Friedrich Engels. Das Geburtshaus wurde abgerissen. 1981 entschloss man sich zu einer etwas pathetischen und heiß umstrittenen Skulptur von Alfred Hrdlicka "Die starke Linke" (Die Proletarier dieser Welt haben nichts zu verlieren als ihre Ketten). Bei einem Besuch der Stadt brachte Erich Honecker aus der DDR einen bronzenen Engelskopf mit, den man aus oben genannten Gründen zwangsläufig im Keller verschwinden ließ. Nach der feindlichen Übernahme der nominell sozialistischen Ostgebiete durch die kapitalistisch-demokratischen Siegermächte bahnten sich auch schöne wirtschaftliche Beziehungen mit dem real-kapitalistischen China an. So kamen Chinesen auch nach Wuppertal. Denen war Friedrich Engels keine Schreckensfigur und sie fragten nach seinem Wohnhaus und seinem Denkmal.

Als sie erkannten, dass Wuppertal zu arm war (vielleicht ökonomisch - jedenfalls geistig), da erbarmte sich der Chinese und schickte 2014  aus China per Schiff einen Engels aus Bronze. Knapp vier Meter hoch und 868 Kilogramm schwer. Und siehe da, die Wuppertaler stellten ihn auch auf. An der Friedrich-Engels-Allee. Keine Angst. Nicht aus ideologischen Motiven. Ganz sachlich wirtschaftsdiplomatisch ging man da zu Werke. Und beispielhaft. Beispielhaft für die Stadt Trier. Die Stadt hat viele römische Steine und ein altes Unterkleid, das als "Heiliger Rock" bezeichnet und etwas verwegen einem Jesus Nazarenus zugeschrieben wird.

Karl Marx, Kollege des oben genannten Friedrich Engels, wurde vor 200 Jahren in Trier geboren und dort  seither so behandelt wie Engels in Wuppertal. Da begab es sich, dass auch nach Trier einige Chinesen auf der Suche nach lohnenden wirtschaftlichen Beziehungen und Investitionen kamen. Ohne pathologischen Abgrenzungszwang fragten sie nach Karl Marx und einem adäquaten Denkmal für den großen philosophischen politischen Denker. Fehlanzeige. Verwundert und großzügig boten Chinesen der Stadt Trier und ihren armen Bürgern eine sechs Meter hohe Bronze des Karl Marx an. Der Stadtrat nahm das Angebot an (mit Ausnahme der Grünen, der FDP und der Rechtsextremisten) und so wird Karl Marx zu seinem 200. Geburtstag in Bronze aus China nach Trier schweben.

Abzuwarten bleibt, ob die Bronzen in Wuppertal und Trier außer der rein materiellen auch ein gewisse geistige Wirkung entfalten können.

Warum war es nie möglich, in Wuppertal und in Trier jeweils einen Kunstwettbewerb für ein Denkmal im öffentlichen Raum auszuschreiben? Fürchteten sich die Stadträte davor, dass ein Gespenst in ihrer Stadt umgehen und sozialistisches oder gar kommunistisches Gedankengut verbreiten könnte? Fürchteten sie um ihren guten rechten Ruf? War es politische Sparsamkeit? Oder war ihnen einfach nicht bewusst, welche Bedeutung Friedrich Engels und Karl Marx in der Geistes- und Politikgeschichte haben, bevor die Chinesen kamen?