Hilfe, sie haben den Marx geschrumpft!

Karl-Marx-Statue im Garten des Karl-Marx-Hauses in Trier
Eine eher kleine Statue von Karl Marx im Garten des Karl-Marx-Hauses (Trier), August 2013 Foto: By Diego.fellbach CC BY-SA

»Vor Ärger konnte ich einige Tage gar nichts denken«, schrieb ein junger Student 1837 an seinen Vater. Der Mann hieß Karl Marx, sein Schreiben ging nach Trier – wo in den vergangenen Wochen etwas Wirbel machte, was dem Philosophen wohl ebenfalls die Kopfarbeit vergällt hätte:

Weil es sich um ein Geschenk aus China handelt, sorgte nicht nur regional ein »Riesen-Marx« seit Monaten für Schlagzeilen – die einen wollen den Denker rückblickend ins Unrecht setzen (wegen Kommunismus); die anderen haben Probleme mit den Herrschaften in Peking (wegen: Kommunismus). Und genau deshalb, anders lässt sich der Vorgang nicht interpretieren, hat man den Marx nun quasi strafgeschrumpft: um 80 Zentimeter. 

Sollte die Statue des Künstlers Wu Weishan ursprünglich 6,30 Meter messen, sind es nun inklusive Podest 5,50 Meter. »Ein großer Philosoph braucht eine große Skulptur«, wurde der CDU-Baudezernent Andreas Ludwig zitiert. Aber eben nicht soooooo groß. Nein-Stimmen kamen von FDP und AFD, die lieber gar keinen Marx wollen. Vier Gegenvoten zählte man bei den Grünen, in der CDU waren einige Stadtvertreter gegen den Standort Simeonstift.


Schon im März hatte der Stadtrat in Marxens Geburtsstadt grundsätzlich grünes Licht für die Aufstellung der Statue gegeben, ein über sechs Meter großer hölzerner Schattenriss hatte bereits Probe gestanden. In der örtlichen SPD und der Linkspartei war darauf verwiesen worden, dass man »einen der größten Bürger« der Stadt nicht verstecken solle. In der FDP hingegen war unter anderem von einem »blutrünstigen Regime« die Rede, von dem man sich keinen Marx schenken lassen wolle. Den Vogel der Kritik hatte schon vor Monaten der CDU-Politiker Arnold Vaatz abgeschossen, der den Trierer Stadtoberen ob der Statue empfahl, den seit 1990 wieder freien Namen »Karl-Marx-Stadt« anzunehmen. 

Der ganze Vorgang schafft immerhin eine neue Maßeinheit - den politischen Schrumpfzentimeter. Er zeigt das Verhältnis von parteipolitisch motivierter Kritik an einem Denker oder einer Denkerin an, die dazu führt, dass Statuen, Gedenksteine oder ähnliche Erinnerungsmonumente kleiner ausfallen müssen. Im Ernst: Künftig soll eine Tafel den Beitrag von Karl Marx zur Kritik der Gesellschaft, zur Philosophie und zur Politik erläutern. »Ein Antrag der AfD, am Denkmal eine Gedenktafel für die Opfer marxistischer Ideologie anzubringen«, so berichtet der SWR, »wurde nicht angenommen.«

Was hätte eigentlich Marx zu der ganzen Sache gesagt, außer dass er »vor Ärger einige Tage gar nichts denken« könne? Er hätte vielleicht auf das Wesen verwiesen, das hinter der aufgeregten Debatte über die sprichwörtliche Erscheinung dieser Statue ein bisschen verlorenging. Trier soll hier nicht das Marxgedenken abgesprochen werden, aber auch das hat fast immer noch eine zweite Ebene: Man hofft auf noch mehr zahlende chinesische Touristen. Rund 150.000 kommen jetzt schon jährlich in die Stadt – die Statue soll ihre Anzahl erhöhen. Denn auch darum geht es bei der ganzen Marxerei: um Stadtmarketing. Und im Fall der Statue ist das recht gut gelungen. Sogar mit einer Schrumpfkur!