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Recht und Rechtskritik bei und nach Karl Marx

Marx hat zum Themenkomplex „Recht und Staat“ keine umfassende Theorie ausgearbeitet. Dennoch gibt es vereinzelt Stellen, an denen sich Marx mit rechts- und staatstheoretischen Fragen befasst. So kritisiert beispielsweise der junge Marx die bestehenden Gesetze mittels eines Ideal des Rechts, das der Vernunft, der menschlichen Natur und dem Prinzip der Gerechtigkeit entsprechen soll. In der Auseinandersetzung mit Hegel verwirft Marx diese Art der idealistischen Rechtskritik und konzentriert sich fortan auf Analyse und Kritik der Ökonomie. Das bürgerliche Recht erscheint jetzt als juristischer Ausdruck der kapitalistischen Produktionsweise. Die universelle Durchsetzung des bürgerlichen Rechts, so ließe sich der späte Marx zuspitzen, ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems kapitalistischer und staatlicher Herrschaftsverhältnisse.

In der Veranstaltung wird zunächst auf den Unterschied zwischen der frühen und der späten Rechtskritik von Marx eingegangen. Mit Bezug auf den sowjetischen Rechtstheoretiker Eugen Paschukanis soll dann die Frage geklärt werden, wie im Kapitalismus ökonomischer Zwang und politische Freiheiten miteinander verschränkt sind: Welche Rolle spielen Freiheit, Gleichheit und Eigentum für die Reproduktion von Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnissen? Und warum benötigt eine Analyse der kapitalistischen Produktionsweise überhaupt einen Begriff des bürgerlichen Rechts? Im Anschluss daran wird nach aktuellen Positionen einer kritischen Rechtsphilosophie gefragt, die über Marx und Paschukanis hinausgehen. Zum Abschluss soll es auch um die Frage gehen, inwiefern ein „Jenseits des Rechts“ möglich und wünschenswert ist: Sind postkapitalistische Gesellschaften rechtsfreie Räume?

Eingeladen haben wir Anne-Kathrin Krug (Berlin) und Benno Zabel (Bonn). Philipp Lorig (Leipzig) und Elisabeth
Niekrenz (Leipzig)

Veranstaltungsreihe

1. February 2018, 18:00 Uhr
Institut für Zukunft
An den Tierkliniken 38, Kohlrabizirkus,, 04103 Leipzig, Germany
Veranstalter: 
Eine Veranstaltung von www.marx-expedition.de. In Kooperation mit Kulturraum e.V. - KreV und der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen e.V.

Marx Expedition 2017/18
200 Jahre Marx: klassische Kontroversen, aktuelle Debatten

Mit dem Erscheinen der Erstausgabe von Karl Marx' Das Kapital vor 150 Jahren begann zugleich eine bis heute anhaltende Rezeptions- und Interpretationsgeschichte. Die daraus hervorgegangenen Varianten des Marxismus erhoben jeweils den Anspruch, den wahren Marx entdeckt zu haben. Die Kontroversen über die verschiedenen Lesarten war dabei keineswegs nur von philologischem Interesse. Je nach Auslegung und Gewichtung wurden unterschiedliche politische Konsequenzen aus den Texten abgeleitet. Während die Sozialdemokratie mit der Annahme eines naturnotwendigen Verlaufs der ökonomischen Entwicklung das revisionistische Programm eines "friedlichen Hineinwachsens in den Sozialismus" legitimierte, sah die Studentenbewegung der 1960er Jahre
den Kern des Marx'schen Werkes in der Entfremdungs-, Verblendungs- und Verdinglichungstheorie. Die Ideologie kapitalistischer Gesellschaften, so ihre Schlussfolgerung, gelte es durch einen revolutionären Akt der Befreiung zu durchbrechen. Im realexistierenden Staatssozialismus hingegen rechtfertigte man die Diktatur des Proletariats mit einem Marx, der mit der Kritik der Fundamente der bürgerlichen Gesellschaft zugleich auch deren Errungenschaften entsorgt habe. Gegenwärtig ist die Verbindung zwischen "dem Marxismus" und den LohnarbeiterInnen gerissen. Die aktuellen akademischen Debatten zu Marx erzeugen kaum gesellschaftliche Resonanz. Gemeinhin gilt Marx als wissenschaftlich widerlegt und als Begründer einer autoritären Gesellschaftsordnung. Kurz: Marx hat ein Imageproblem. Zugleich lässt sich jedoch beobachten, dass das Interesse an Marx und seinen Ideen in jüngster Zeit zunehmend wächst. Aber welcher Marx erlebt hier eine Renaissance? Der frühe Marx als Philosoph der Befreiung oder der späte Marx als Theoretiker des Kapitals? Kommen gar ehemals zentrale Themen des Marxismus, wie Klassenkampf, eine materialistische Geschichtsphilosophie oder die berüchtigte Verelendungstheorie zurück, die lange Zeit als überholt galten?
Anhand von drei klassischen Kontroversen wollen wir exemplarisch unterschiedliche Zugänge zu Marx aufzeigen. In den Podiumsdiskussionen werden jeweils zwei Standpunkte aufeinandertreffen, um nach Plausibilität, Aktualität und den unterschiedlichen praktischen Konsequenzen der jeweiligen Lesarten zu fragen.
 

Eine Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung