Die Marx-Diskussion des globalen Südens

Die geographische Bezeichnung „Süden“ soll diejenige Debatten und Theorien im Anschluss an Marx zusammenfassen, die ihren Ursprungsort weder in Westeuropa oder Nordamerika noch in der Sowjetunion und den realsozialistischen Staaten Osteuropas hatten. Gleichwohl wurde der Marxismus im globalen Süden natürlich auch von diesen beiden großen Lagern beeinflusst. So bezogen sich die sozialistischen Befreiungsbewegungen im globalen Süden vor allem auf die Sowjetunion, während die akademische Debatte stärker an den Marx-Debatten des Westens orientiert war.

Ein eigenständiger Marxismus entwickelte sich im globalen Süden vor allem im Zuge der „peripheren Revolutionen“, die als Ausläufer der Russischen Revolution von 1917 interpretiert werden können. Er wurde vor allem in der Welle der antikolonialen, nationalen Befreiungsbewegungen nach dem Zweiten Weltkrieg wirksam, insbesondere in China und Indien sowie in Lateinamerika, aber auch in einigen Ländern Afrikas. Seine Eigenständigkeit fand der Marxismus des globalen Südens vor allem in der Selbstverständigung über die koloniale und imperiale Ausbeutung und Unterdrückung, über die Ungleichheit in der gesellschaftlichen Entwicklung und die verschiedenen Formen der Abhängigkeit, aber auch in Überlegungen über den politischen Widerstand.

Wichtig sind in diesem Zusammenhang die Schriften zur Philosophie und Ethik der Befreiung des argentinischen Philosophen Enrique Dussel, einer der großen lateinamerikanischen Denker. Ein ebenfalls zentraler Protagonist war Ernesto „Che“ Guevara, der zur Legende gewordene argentinisch-kubanische Revolutionär. Eine Einführung in die Debatten und Strömungen findet sich in dem von Felix Wemheuer herausgegebenen Band „Marx und der globale Süden“, der sowohl Marx’ eigenen Blick auf den Süden als auch die später dort geführten Debatten behandelt.