kapital150

Kolloquium: Marx' Kapital im 21. Jahrhundert

Vor 150 Jahren ließ Karl Marx’ Hamburger Verleger Otto Meißner in Leipzig den ersten Band des „Kapitals“ in der Druckerei Wigand drucken. Das Kolloquium aus Anlass dieses Jahrestags widmet sich der Frage, welche Bedeutung dieses Werk für die sozialen Auseinandersetzungen im 21. Jahrhundert hat. Der Schwerpunkt liegt auf der ökonomischen Theorie von Marx, insbesondere seiner Wert- und Mehrwerttheorie, der Geld- und Kapitaltheorie sowie der Akkumulationstheorie.

Programm

10.00 Uhr: Eröffnung:

Dr. Dieter Janke (RLS Sachsen)

10:10 Uhr: „Furchtbarstes Missile“ und „Triumph der deutschen Wissenschaft“ − Anmerkungen zur Wirkungsgeschichte des ersten „Kapital“-Bandes

Prof. Dr. Manfred Neuhaus (Historiker, langjähriger Mitarbeiter an der MEGA)

Als der Hamburger Verleger Otto Meißner im September 1867 den ersten Band des „Kapitals“ auslieferte, begann eine ungewöhnliche Wirkungsgeschichte, die ungeachtet der Aufnahme des berühmten Werkes in das „Memory of the World“ durch die UNESCO im Juni 2013 noch längst nicht abgeschlossen ist. Das 150. Jubiläum der Erstveröffentlichung des Werkes sollte ein willkommener Anlass sein, an bedeutende Momente in Geschichte und Gegenwart seiner Veröffentlichung zu erinnern, das damit verbundene verlegerische Engagement zu beleuchten und wichtige Akteure zu würdigen. Neben bisherigen Forschungsresultaten werden dabei auch die jüngsten Daten des von der UNESCO herausgegebenen Index Translatonum, der Weltbibliographie der Übersetzungen, zu Rate gezogen.

10:40 Uhr: Die Erstausgabe von „Kapital“ Band I und ihre weitere Bearbeitung durch Marx

Prof. Dr. Thomas Kuczynski (Wirtschaftshistoriker)

Bei der Vorbereitung der zweiten deutschen Ausgabe von „Kapital“ Band I hat Marx bedeutsame Veränderungen seines Werks vorgenommen, die er auch in die kurz darauf folgende französische Ausgabe übernommen hat. Darüber hinaus hat er in dieser nach seinem eigenen Urteil „manches Neue zugesetzt und vieles wesentlich besser dargestellt“ als in der zweiten deutschen Ausgabe. Potentiellen Übersetzern empfahl er daher, die beiden Ausgaben sorgfältig miteinander zu vergleichen. Ein solcher Vergleich fördert in der Tat manche wesentliche Erkenntnisfortschritte zutage.

11:00 Uhr: Wie aktuell ist Marx’ Kapitalismusbegriff in Zeiten der Digitalisierung?

Dr. Ulrich Busch (Finanzwissenschaftler)

Kapitalismuskritik ist heute vor allem Gesellschafts- und Kulturkritik, weniger Ökonomiekritik und orientiert sich überwiegend an politik- und kulturrelevanten Phänomenen wie z. B. dem Demokratieverlust, der sozialen Spaltung und der Genderproblematik. Dies findet seinen Niederschlag in der Transformationsdebatte, worin die Wirtschaft weitgehend ausgeklammert ist oder der Fokus einseitig auf den sozialen Verhältnissen oder der materiell-technischen Entwicklung liegt. Bei Marx dagegen gilt die Kritik der Produktionsweise als Einheit sozialer Verhältnisse und industrieller Produktivkräfte. Dies schließt heute „Industrie 4.0“ ebenso ein wie das finanzkapitalistisch modifizierte Kapitalverhältnis.

11.20 Uhr - 12:15 Uhr: Anfragen und Diskussion

Mittagspause: 12.15 – 13.00 Uhr

13.00 Uhr: Zum Zusammenhang von Wert- und Geldtheorie

Prof. Dr. Klaus Müller (Wirtschaftswissenschaftler)

Wertformanalyse und Geldbegriff gehören zu den umstrittenen Problemen der marxistischen politischen Ökonomie. Marx leitet die Entstehung und das Wesen des Geldes aus dem Warentausch ab. Ist die Wertformanalyse lediglich eine schlüssige Gedankenkonstruktion oder zugleich ein Abbild der historischen Entstehung des Geldes? Ist die Marxsche Geldwertheorie angesichts der Ausbreitung des Papier- und Buchgeldes noch aktuell?

13.20 Uhr: Marx’ Wert- und Mehrwerttheorie im Disput

Doz. Dr. Georg Quaas (Wirtschaftswissenschaftler)

Das zentrale Objekt der ökonomischen Theorie von Marx ist der Mehrwert. Dieser wird als Resultat der Ausbeutung interpretiert, während die moderne Ökonomik darin einen „Lohn“ für den Einsatz des Kapitals sieht. Definiert man das Kapital als sich selbst verwertender Wert („Kapital“ Bd. I, S. 169), so kann kaum bestritten werden, dass es in marktwirtschaftlich organisierten Gesellschaften auch in Zukunft eine unverzichtbare Rolle spielen wird. Folglich muss sich die werttheoretische Forschung auf Theorien konzentrieren, die wie Marx das Zusammenwirken von Kapital und Arbeit ins Zentrum stellen.

13:40 – 14:30 Uhr: Anfragen und Diskussion

Kaffeepause: 14.30 – 14.50 Uhr

14.50 Uhr: Die Akkumulationstheorie im 21. Jahrhundert

Dr. Stephan Krüger (Arbeitnehmerorientierter Unternehmensberater)

„Ein Gespenst geht um in der Weltwirtschaft, das Gespenst der säkularen Stagnation“ – so die These des Mitglieds des ‚Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung‘ Peter Bofinger. Um mehr als eine Beschreibung und oberflächliche Diagnose dieses ‚Gespenstes‘ beizubringen, ist der Rückgriff auf Marx’ Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate essentiell. In ihm zeige sich, so Marx, die Schranke der kapitalistischen Produktion. Die hiermit aufgeworfenen Fragen und Probleme theoretisch sowie für die Nachkriegsentwicklung in der Bundesrepublik zu thematisieren, ist Gegenstand des Vortrags.

15:15 Uhr: Die geschichtliche Tendenz der Akkumulation bei Marx und in der Gegenwart

Dr. Jürgen Leibiger (Wirtschaftswissenschaftler)

Nach Marx’ allgemeinem Gesetz der Akkumulation des Kapitals führt diese zu einer Klassenpolarisierung, zur Konzentration des gesellschaftlichen Reichtums auf der einen und zur Verelendung der Arbeiterklasse auf der anderen Seite. Diese Tendenz war für Marx im 19. Jahrhundert augenscheinlich, aber inwieweit und in welcher Form gilt dies auch für das 20. und 21. Jahrhundert? In welchem Verhältnis stehen Thomas Pikettys Untersuchungen und Aussagen zur Kapitalakkumulation zu diesem Gesetz?

15:40 – 16:30 Uhr: Anfragen und Diskussion

Kolloquium

6. Mai 2017
Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen
Harkortstraße 10, 04107 Leipzig, Deutschland
Veranstalter: 
RLS Sachsen
Eine Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung