1917-Musik in turbulenten Zeiten

Foto: von Duhjeroen in der Wikipedia auf Niederländisch (Übertragen aus nl.wikipedia nach Commons.) [Public domain], via Wikimedia Com Public Domain

Die Deutsche Grammophon hat unlängst eine CD unter diesem Titel veröffentlicht. Sie vereinigt Stücke, die um 1917 entstanden oder diese Zeit zum Gegenstand haben. Die Revolutionen in Rußland sind ein, wenn auch nicht der beherrschende Gegenstand.

Das ist verständlich, war doch für viele Komponisten der Krieg in den eigenen Ländern viel näher. Die Musik von Respighi und Bartok zu Beginn der CD atmet den Geist von Unsicherheit und Rastlosigkeit, bei Bartok das Bizarre noch viel deutlicher als bei Respighi. Die aggressive Tonsetzung von Satie in „Parade“ (zu Beginn der zweiten CD) wurde vom Publikum als Opposition gegen die Wirklichkeit der Verhältnisse interpretiert und rief wütende Proteste hervor. Der Tanz der Müllerin von de Falla erscheint wie eine gehetzte Reminiszenz an bessere Zeiten, brüchig in ihrer Romantik. Der Saturn aus Holst’ „Planeten“ bringt nicht nur das Alter, sondern auch die Sorge, den alltäglichen Begleiter des Krieges. Mehr noch, verzweifelnde Hoffnungslosigkeit: Es geht zu Ende, man schleppt sich fort, durch die Granatentrichter, die Stacheldrahtverhaue, den Schlamm des Schlachtfeldes, trügerisch die aufscheinenden Sonnenstrahlen. Im Aufbäumen hört man dann doch nur die Glocken des Todes, unsicher versüßt mit den Verheißungen eines „danach“. Dieses Gefühl des Ausgeliefertseins prägt auch das erste Vokalstück der CD, Ives‘ „Auf Flanderns Feldern“. Eine Elegie der Sterbenden an die Lebenden, die aus ihrem Leiden die Aufforderung der Fortsetzung des Kampfes ableiten. Das Leiden, die Trauer, die Ratlosigkeit – das sind die beherrschenden Bilder. Keine Frage nach Hintergründen. So auch Bridge, Debussy und Ravel. Dabei nehmen sie durchaus unterschiedliche Positionen ein. Bridge war Pazifist und empfand, so der Autor des einführenden Aufsatzes Michael Stegemann, den Krieg als universelle Katastrophe. Debussy war hemmungsloser Nationalist. Ravel widmete die Sätze seiner Klaviersuite Le Tombeau de Couperin gefallenen Freunden. Die Formen, die aus diesen Positionen gefunden werden, unterscheiden sich nur wenig. Es geht um das Schicksal, das Erleiden. Dieses Erleiden allerdings wird meisterhaft zelebriert, so auch in der 3. Symphonie von Vaugham Williams, deren 2. Satz die erste CD abschließt.

Anders drei Stücke aus dem Hollywooder Liederbuch von Eisler. Erst viel später, in den 1940ern entstanden (insofern ein konzeptioneller Bruch in der Kompilation), wird im Wechselspiel von Musik und Text (dieser von Brecht) auch das Zerrissene der Zeit hervorgehoben, aber jegliche Versöhnung mit dem Töten wird als absurd erklärt. Hier wird der Bogen von Satie aufgenommen. Dies trifft auch auf ein weiteres Stück auf der zweiten CD zu, den Teil 1 der „Bauernhochzeit“ von Stravinsky. Keine Besinnlichkeit, keine Trauer, nur zerklüftete Welten. Es ist eine andere Weltsicht, als sie von den davor gehörten Komponisten präsentiert wird. Diese wird auch von Schostakovitsch mit seiner 12. Sinfonie zum Abschluss der zweiten CD dieses Albums aufgegriffen. Schostakovitsch widmet dieses Werk der Oktoberrevolution. Bedauerlich ist, dass bei der Kompilation die Revolutionen der Jahre 1917-1923 kaum, und wenn dann nur marginal berücksichtigt wurden, eben nur mit Schostakovitsch. Anstelle von Prokovjes Violin-Konzert Nr. 1 wäre unter diesem Gesichtspunkt vielleicht ein Auszug aus seiner 1937 geschriebenen Kantate zum 20. Jahrestag der Oktoberrevolution erhellend gewesen.

Krieg und Revolution - ihr Zusammenhang wird erst 1918 vollends deutlich werden. Erst einmal ist das Schaffen der Künstler beherrscht vom Leiden...