Arbeit auf den Begriff gebracht

Am 26.Oktober 2017 startete die 10. Marx-Herbstschule. Vier Tage lang diskutierten anlässlich des Jubiläums 150 Jahre "Das Kapital" zeitweise bis zu 400 TeilnehmerInnen zum Thema Arbeit bei Marx sowie die verschiedenen Lesarten des Kapital.

Die insgesamt 10 Arbeitsgruppen diskutierten tagsüber Passagen zum Arbeitsbegriff aus dem Kapital gemeinsam in textnaher Lektüre. Der Arbeitsbegriff zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Entwicklung des ersten Bandes, ausgehend vom «Doppelcharakter» der Arbeit, dem «Springpunkt, um den sich das Verständnis der politischen Ökonomie dreht», über die kapitalistische Anwendung, Verwertung und Ausbeutung der Arbeitskraft und ihre Kämpfe bis hin zum historischen Ursprung der kapitalistischen Lohnarbeit durch die sog. «Ursprüngliche Akkumulation».

Der Bezug auf die Arbeit hat zunächst die Geschichte des klassischen Marxismus beherrscht: in Gestalt der großen sozialdemokratischen, sozialistischen und kommunistischen Massenparteien und -organisationen, in Form der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegungen, aber auch in der Gestalt der sozialistischen Arbeiterstaaten. Sie alle formulierten in Theorie wie Praxis eine Politik buchstäblich im Namen der Arbeit.

Allerdings gab es auch eine eher untergründige Strömung, die sich vor allem auf Marx‘' Kritik der Arbeit und die Abschaffung und Überwindung der kapitalistischen Lohnarbeit und der Klasse berief. Diese kritische Bestimmung der Arbeit wurde vor allem im Zuge der neuen Kapital-Aneignungen um 1968 wirksam. Allerdings richtete sich die Kritik auch auf das Kapital selbst: Marx habe sich zu stark auf das Industrieproletariat und die Produktion fixiert und die Bedeutung der Bereiche der gesellschaftlichen Reproduktion , der Alltagskultur, der Ideologie und Geschlechterverhältnisse etc.– zu wenig berücksichtigt.

Mit drei großen Abendveranstaltungen wurde daher mit vielen internationalen ReferentInnen die neuen Kapital-Lektüren der 1960er Jahre betrachtet, aber auch die Kritiken, die ab den 1970er Jahren am Kapital, an Marx und am Marxismus geübt wurden. Die erste der drei Abendveranstaltungen war zunächst den neuen Kapital-Lektüren der 1960er Jahre gewidmet: operaistische Kapital-Lektüre, strukturale Kapital-Lektüre und die neue Kapital-Lektüre in West-Deutschland. Es folgten am zweiten Abend die kritischen Interventionen der 1960er und '70er Jahre, die auf blinde Flecken im Marxismus und bei Marx selbst aufmerksam machten: Cultural Studies, Post-Kolonialismus und Feminsmus. Und am dritten Abend ging es schließlich um den Zusammenhang zwischen der neoliberalen Umstrukturierung der Ökonomie und konservativer Familien- und Reproduktionspolitik.

Die Diskussionen wurden live gestreamt, hier können die Aufzeichnungen nachgeschaut werden.

Am letzten Tag wurde auf einer internationalen Konfrerenz schließlich die Editions- und Rezeptionsgeschichte des Kapital diskutiert.