Verstehen oder zitieren

Mitunter lässt sich in wenigen Worten viel Kluges sagen – genauso wie man viele Worte um weniger kluge Gedanken machen kann. Wie das jeweils aussieht und was das mit Karl Marx zu tun hat, lässt sich an zwei Texten prüfen: einem von Jürgen Kaube in der „Frankfurter Allgemeinen“ und einem von Thomas Straubhaar in der WamS.

„Als Versuch, die Gesellschaft zu verstehen, in der wir leben, ist das Werk fast ohne Nachfolger geblieben“, schreibt Kaube auf ein paar wenigen Zeilen über 150 Jahre „Das Kapital“. Und weiter: „Dass man Marx nach 1989 für erledigt hielt, bleibt eine Torheit.“ Eine Torheit ist es freilich auch, auf einer ganzen Zeitungsseite so zu tun, als ob man der Frage „Hatte Karl Marx am Ende doch Recht?“ nachgeht, um dann schließlich, nach vielen Worten, zu fordern, Marx dürfe nicht Recht behalten. Warum? Das formuliert Straubhaar, ein „Botschafter der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ so: „Eine offene, liberale, sozial-marktwirtschaftliche Volkswirtschaft muss im eigenen Interesse alles daran setzen, eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung zu schaffen, in der ‚die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist‘.“ Kaube hat Marx verstanden, Straubhaar zitiert ihn nur.