Entwicklungen nach 1989
Der Zusammenbruch des „real existierenden Sozialismus“ um das Jahr 1989 sowie die finale Krise seines legitimationsideologischen Überbaus war ein enormer Einschnitt für die Parteien und Bewegungen nach Marx. Doch allen – meist interessengeleiteten – Totengesängen zum Trotz stand die Bezugnahme auf Marx weiterhin auf der Tagesordnung, zumal die innermarxistische Auseinandersetzung und Kritik des Realsozialismus eine ebenso lange Tradition hatte wie der Realsozialismus selbst. Heute existieren nicht nur Strömungen aus dieser Zeit vor 1989 fort, es entstanden auch neue Ansätze, so wie die theoretischen und politischen Konzepte ohnehin stets Umbrüchen und Weiterentwicklung unterlagen.
Gleichwohl geriet der „Marxismus“ in vielen Regionen der Welt nach dem Zusammenbruch des „real existierenden Sozialismus“ in eine anhaltende Schwächephase. Dies wurde nicht zuletzt 2007 deutlich, als in der Welle der Sozialproteste, die nach der Finanzkrise ausbrachen, marxistische Positionen eher marginal blieben. Auch eine Renaissance der Beschäftigung mit Marx und seinen Schriften unter jüngeren Akademikern kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass „der Marxismus“ und die sich auf ihn berufenden Parteien und Bewegungen heute entfernt sind von einer großen Erzählung, die sich noch einmal als politisches Projekt formieren könnte.
Marx’ Kritik konnte in den vergangenen Jahren auch und gerade in Kreisen, die nicht „der Linken“ zugerechnet werden, wieder an Boden gewinnen: Die vielfältigen Krisen des real existierenden Kapitalismus haben nicht nur in bürgerlichen Feuilletons die Frage aufkommen lassen, ob Marx „nicht am Ende recht” haben könne. Jedenfalls hat nun auch außerhalb des Marxismus eine Unterscheidung Einzug gehalten, die innerhalb des „Marxismus“ schon lange getroffen wird: die Unterscheidung zwischen Marx und Marxismus – allein schon, weil es „den“ Marxismus nicht gibt, vielmehr auch innerhalb des Marxismus in ganz unterschiedliche und mitunter gegensätzliche Richtungen, Parteien, Strömungen etc. unterschieden werden muss.
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