Marxismus und Psychoanalyse

Eine Verbindung zwischen Marx‘ Gesellschaftskritik und Freuds Psychoanalyse wurde vor allem im so genannten Freudomarxismus, in der Kritischen Theorie und deren Umfeld sowie in der strukturalen Marx-Aneignung gesucht. Den zum Teil sehr unterschiedlichen Bemühungen ist der Anspruch gemeinsam, nicht nur zwei Theorien radikaler Gesellschaftskritik zu verbinden, sondern über diese Verbindung zu bestimmen, auf welche Weise sich die kapitalistische Vergesellschaftung – wie immer auch verkehrt, entfremdet, dezentriert – im Subjekt bricht.

Die Verbindung von Marxismus und Psychoanalyse hinterließ u.a. durch die Arbeiten von Wilhelm Reich ihre Spuren in der ArbeiterInnenbewegung. Reich verfolgte eine „proletarische Sexualpolitik“, in der unter anderem die Änderung von Ehegesetzen und die Beseitigung der Prostitution Thema waren. Die Ansätze wurden in den 1960er Jahren wieder aufgenommen, beeinflussten die Neue Linke und wurden von ihr unter dem Stichwort „sexuelle Befreiung“ behandelt. Im Paris des Jahres 1968 führte dies zur „Schlafzimmerrevolte“, mit der die Aufhebung der Geschlechtertrennung in den Studierendenwohnheimen der Universität Nanterre erreicht werden sollte. Einflussreich war auch die so genannte Antipsychiatrie, die „aus der Krankheit eine Waffe“ machen und diese Waffe wiederum im Kampf für eine andere Gesellschaft nutzen wollte.

Infolge der westdeutschen Studentbewegung entstand die Kritische Psychologie, die Fragen der Psychologie als gesellschaftspolitische Fragen versteht und im Bereich der psychologischen Wissenschaft sowohl die binnenwissenschaftlichen (Selbst-)Beschränkungen des Fachs als auch die Tendenz zur Individualisierung überschreiten will.

Einige Ausgaben der Zeitschrift für Politische Psychologie und Sexualökonomie sind online zugänglich. Weitere Hinweise auf die Verbindung von Marxismus und Psychoanalyse finden sich in den Archiven der Arbeiten von Erich Fromm und Wilhelm Reich. Die meisten der Schriften von Reich sind hier zugänglich. Eine Antwort auf die Frage „Was ist Freudomarxismus?“ gibt Moshe Zuckermann in diesem Text.