Heimat

Die widersprüchlichen Reklamationen von H zeigen, wie sehr der Begriff als umkämpfte Metapher, als »Rohstoff des Politischen« fungiert, bei dem das »Unabgegoltene ebenso wie das Überholte« (Negt/Kluge 1992, 64) eine Mischung eingehen, die den Begriff für Befreiungspolitik schwierig macht. H ist wirksame ideologische Anrufung, ist verbunden mit Eigentum. Gerade darum ist sie auch für die Eigentumslosen ein Kampfplatz im Ringen, sich Welt anzueignen.

1. Im Althochdeutschen bedeutete »heimôti« oder »heimôdili« soviel wie Armut und Kleinod (Grimm 10, 864). Der seit dem 15. Jh. nachweisbare Begriff umfasst nach Grimm mehrere Bedeutungen: das sächliche »heimant« oder »haymat«, welches mit »patria«, dem Vaterland, gleichgesetzt wird, und das zur weiblichen Form sich entwickelnde »haimat« oder »heimet«, das den »landstrich, in dem man geboren ist oder bleibenden aufenthalt hat« (865), anzeigt.

In LUTHERS Bibelübersetzung wird in Gen 24.7 das hebräische »moledet« (Verwandtschaft) mit »heymat« wiedergegeben: »der HERR, der Gott des himels, der mich von meins vaters haus genommen hat, und von meiner heymat«. Durch diese Übersetzung ver- schwindet allerdings die Schärfe des Auftrags Gottes, mit allen gegebenen sozialen Bindungen zu brechen und ein zukünftig besseres Leben zu suchen. Ähnlich depolitisierend – weil den Bezug auf das abgelehnte Römische Reich vermeidend – wird das griechische »politeuma« (Gemeinwesen/Staat) in Phil 3.20 als H wiedergegeben: »Unsere H aber ist im Himmel«.

Die Hoffnung auf eine H im Jenseits kommt aus der Hoffnungslosigkeit, im Diesseits keine gerechten und menschenwürdigen Verhältnisse schaffen zu können: So heißt es in einem nach dem Dreißigjährigen Krieg populär gewordenen Lied von Paul GERHARDT: »Ich bin ein Gast auf Erden [...]. Der Himmel soll mir werden / Das ist mein Vaterland./ Mein H ist dort droben« (zit.n. Frahm 1990, 895).

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