Marxismus Lenins

Werk und Wirken Lenins haben zentrale Bedeutung für die Entwicklung des Marxismus im 20. Jh. Dass drei bis vier Jahrzehnte nach dem Eintreffen Lenins in Petrograd im April 1917 „ein Drittel der Menschheit unter der Herrschaft von Regimen“ lebte, die „unmittelbar“ aus dieser Revolution „und Lenis organisatorischem Modell, der Kommunistischen Partei, hervorgegangen waren“, erweist nach Eric Hobsbawm die 1917 initiierten Umwälzungen als die „gewaltigste Revolutionsbewegung der modernen Geschichte“ (1944/2010, 79).

Gemessen am emanzipatorischen Kernanliegen von Marx, stellt sich die Bilanz der weltgeschichtlichen Rolle des russischen Revolutionsführers und der von ihm ausgehenden staatssozialisitschen Alternative zum Kapitalismus im 20. Jh. jedoch als tief widersprüchlich dar. Sie steht für die zwiespältige Doppelfunktion des Marxismus in dieser Epoche seiner größten Verbreitung und später tiefsten Krise – zum einen als revolutionäre Orientierung im Kampf gegen Unterdrückung und Ausbeutung, zum anderen als Herrschaftsideologie von Staaten, in denen der Marxismus als Leninismus bzw. Marxismus-Leninismus (ML) zur Macht gekommen war. Daraus ergaben sich gleichermaßen starke Potenziale weltweiter Ausstrahlung wie gravierender Fehlentwicklungen, beides zumeist unauflöslich verflochten. Um neue Kraft und Ausstrahlung zu gewinnen, musste der in den Untergang der sowjetisch geprägten Regime in Europa seit 1989 hineingezogene Marxismus zunächst davon befreit werden, „theoretisch mit dem Leninismus und praktisch mit den leninistischen Regimen in eins gesetzt zu werden (Hobsbawm 2012, 14f).

Weiter im PDF