Stichworte

Stichworte
Foto: Ginny CC BY-SA

Anlässlich des 100. Todestag von Karl Marx 1983 wurde das Projekt Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus (HKWM) ins Leben gerufen. Über 15 Bände und 1.500 Stichwortartikel hinweg werden von verschiedenen AutorInnen Begriffe des Marxismus definiert und erläutert. Erschienen sind bisher die Bände 1 bis 8/II, aus denen einige der wichtigsten Stichwörter entnommen wurden.
Unter www.inkritpedia.de ist das gesamte Wörterbuch mit Kurztexten zu jedem Eintrag einsehbar; sämtliche Langfassungen können als pdf bestellt werden.

Abstrakte Arbeit

Marx benutzt den Begriff beiläufig in den Ms 44 (MEW 40, 477; MEGA 1.2, 208) zur Charakterisierung entfremdeter, vereinseitigter Arbeit, womit er an Hegels Verwendung von aA im Zusammenhang mit der Teilung der Arbeit anknüpft (RPh, §198; Enz, §§525f). In einer neuen Bedeutung wird aA in Zur Kritik zu einem zentralen Begriff. Marx unterscheidet hier erstmals die Gebrauchswert hervorbringende von der Tauschwert schaffenden Arbeit.

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Berufsrevolutionär

Kann diese (von negativen Bedeutungen wie Revoluz­zer, Sektierer, Bürokrat, Funktionär überlagerte) Be­zeichnung heute in einer ernsthaften Diskussion über Fragen der politischen Organisation noch eine Rolle spielen - angesichts des Schindluders, das in der Ge­schichte der Arbeiterbewegung in diesem Jh. mit ihr getrieben wurde, aber auch angesichts der zunehmen­ den Diskreditierung jeder von Berufspolitikertum?

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Diktatur des Proletariats

Nach Wolfgang Leonhard hat der »wahrscheinlich 1837 von Auguste Blanqui« geprägte Begriff »erst durch K. Marx und F. Engels seine politische Bedeutung erlangt« (1966, 86). Man muß ergänzen: durch Lenins Rezeption der marxistischen Klassiker in SR und schließlich durch den Gebrauch dieses Terms, der ein Mißbrauch war, den der Stalinismus und die poststalinistischen Staatsparteien davon machten. Der Eurokommunismus wird in den 1970er Jahren mit der Redeweise von der DdP unter heftigen Auseinandersetzungen brechen.

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Familienarbeit, Hausarbeit

Der Beginn feministischer Auseinandersetzung mit Marx begann mit Maria Rosa Dalla Costas Intervention (1973) und setzte sich fort als Hausarbeitsdebatte, eine Problematik, die philologisch genaue Lektüre von Marx und Engels erfordert. Doch die in dieser Debatte herausgearbeiteten Kritikpunkte knüpfen sprachlich ungenau an Marx und Engels an, sowohl was ›Arbeit‹ als auch was ›H‹ angeht und dringen daher nicht zu einer triftigen Kritik der Reproduktionsverhältnisse und ihrer begrifflichen Fassung vor.

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Feuerbach-Thesen

Die ThF sind nicht nur „einer der bekanntesten, konzisesten und dunkelsten Texte von Marx“ (Lefebvre 1958, 47), sondern das, abgesehen von den Fragmenten einiger Vorsokratiker, „kleinste Dokument unserer abendländischen philosophischen Tradition“ (Labica 1987, 5), das immer wieder zum Ausgangspunkt theoretischen Neubeginns gemacht worden ist. Ihre Prägnanz erstaunt desto mehr, als die Thesenform dem Marxschen Denken an sich fremd ist.

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Hacker

Mit dem Computer entsteht im Kapitalismus eine neuartige Formation von High-Tech-Akteuren, die sich in ironischer Untertreibung ihrer Virtuosität einfach nur »H« nennen (Levy 2001, 23). – Sie eignen sich die neuen Produktivkräfte durch deren Weiterentwicklung und oppositionelle Umfunktionierung an und verknüpfen dabei Arbeit, Lebensweise, Ethik und Sport zu Gegenkulturen, die gegen die Bürokratien von Konzernen und Staat rebellieren. Die Regelverletzungen und Grenzüberschreitungen, die für den H konstitutiv sind, bewegen sich am Rande der Kriminalität und können u.U.

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Hegemonie

I. In der begrifflichen Ausarbeitung der »enorm produktiven Metapher der H« (Hall 2000, 40), um die Bewegungsform politischer Einheitsstrategien zu bestimmen, gewinnt Antonio Gramsci seinen »alle anderen Themen perspektivierenden« (Haug 1996, 9) Zugang zu einer marxistischen Politik- und Machttheorie jenseits ökonomistischer Reduktionismen. 

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Heimat

Die widersprüchlichen Reklamationen von H zeigen, wie sehr der Begriff als umkämpfte Metapher, als »Rohstoff des Politischen« fungiert, bei dem das »Unabgegoltene ebenso wie das Überholte« (Negt/Kluge 1992, 64) eine Mischung eingehen, die den Begriff für Befreiungspolitik schwierig macht. H ist wirksame ideologische Anrufung, ist verbunden mit Eigentum. Gerade darum ist sie auch für die Eigentumslosen ein Kampfplatz im Ringen, sich Welt anzueignen.

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Hoffnung

Die romanischen Bezeichnungen gehen auf das lateinische spes/sperare zurück, an dem man noch die Doppelbedeutung einer positiven, freudigen Erwartung und eines neutralen Bezugs auf Zukünftiges ablesen kann. Noch Vergil verwendet sperare fürs Erwarten eines Schmerzes (sperare dolorem; Äneis IV, 419). Die griechischen Äquivalente ἔλπις ἐλιπίζειν bedeuten ursprünglich v.a. »allgemein und formal den Zukunftsbezug« (Link 1974, 1157), dem die neutralen Begriffe des Erwartens, Vermutens entsprechen. Spuren davon fi nden sich noch im modernen Sprachgebrauch, z.B.

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Intellektuelle

Vor aller Reduktion intellektueller Praxis auf das Tun der ›Schriftgelehrten‹ als der berufenen Vertreter der ›intellectualitas‹ meint diese allgemein »die Fähigkeit, etw. zu begreifen« (Georges). Es handelt sich um die Fähigkeit, sich allgemein in der Welt zu orientieren, gemeinsam mit allen anderen einen Begriff von der sozialen und natürlichen Welt zu entwickeln, darüber als Wissen zu verfügen und es den nachfolgenden Generationen zu überliefern.

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Kapital-Editionen

„Solange es Kapitalisten und Arbeiter in der Welt gibt, ist kein Buch erschienen, welches für die Arbeiter von solcher Wichtigkeit wäre, wie das vorliegende.”

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Kapital-Lektüre

Das Kapital ist nicht nur das Hauptwerk von Karl Marx, in dem das Paradigma geschichtsmaterialistischer Wissenschaft herausgearbeitet ist, sondern das Hauptwerk der Kapitalismustheorie schlechthin. Seine theoretische Leistung ist bisher von keiner anderen Schrift erreicht oder gar übertroffen worden. Allen Umbrüchen in Produktionsweise und Politik zum Trotz bewahrt Das Kapital noch immer »jene eigentümliche Lebenskraft«, mit der es, wie Karl Korsch 1932 feststellte, »im höchsten Grade ›zeitgemäß‹ geblieben ist und in vieler Hinsicht seine Zeit erst recht zu erfüllen anfängt« (514).

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Klasse an sich/für sich

Die Ausdrücke „Klasse an sich“, „Klasse für sich“ und „Klasse an und für sich“, die Marx zugeschrieben zu werden pflegen, finden sich bei diesem nicht. Bucharin etwa behauptet in seiner „Theorie des historischen Materialismus“ (1922, §54), Marx verwende die Ausdrücke „Klasse an sich“ und „Klasse für sich“ in Elend.

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Köchin

Der Lenin zugeschriebene Satz, die K solle den Staat regieren, schlägt eine emanzipatorische Schneise für Frauen und orientiert zugleich hin auf eine sozialistisch-demokratische Politik als Lernprojekt.

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Kommunismus

Mit dem Ende der Sowjetunion schien das Schicksal des K besiegelt. Dem stalinistischen Terror und dem Stillstand der auf Stalin folgenden Phase folgte das Scheitern der Reformversuche Gorbatschows, schließlich die Restauration eines auf andere Weise autoritären Staatskapitalismus.

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Kommunistisches Manifest

Das Manifest der Kommunistischen Partei, entstanden 1847/48, ist die weltweit bekannteste und wirkungsmächtigste Schrift des Marxismus. Die gedankliche Präzision und Sprachgewalt, womit es die „Geschichte aller bisherigen Gesellschaft“ als „Geschichte von Klassenkämpfen“ (4/462) skizziert, hat ihm unter den Kommunisten den Status eines Gründungsdokuments ihrer Bewegung verliehen. Das Manifest, dessen Verbreitung die der Bibel bei weitem übersteigt, war Kraftquell in Zeiten der Niederlage, wurde versteckt, auswendig gelernt und weiter erzählt.

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Krisentheorie

In der bürgerlichen politischen Ökonomie gelten Krisen zumeist als zufällige Erscheinungen, die mit der Funktionsweise der „Marktwirtschaft“ als solcher angeblich nichts zu tun haben, sondern durch eine „falsche“ Wirtschaftspolitik oder durch allerlei „exogene“ Faktoren bedingt sind.

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Kronstädter Aufstand

»Dritte Revolution« oder »konterrevolutionäre Meuterei« – zwischen diesen Polen bewegt sich das Urteil über den KA, der vom 1. bis 18. März 1921 Sowjetrussland erschütterte.

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Kulturrevolution

Der Begriff der K, obwohl erst in der Neuzeit ausgearbeitet, ist integraler Bestandteil jeder Theorie der Revolution oder gesellschaftlichen Systemveränderung, nicht nur marxistischer Theorien. Doch hat ihn das Schicksal der chinesischen ›elf Jahre‹ verdunkelt. Die »Große Proletarische K«, wie man sie offiziell nannte, wurde aus einer lediglich kontingenten geschichtlichen Erfahrung zum beispielgebenden Lehrbuch.

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Kybertariat

Welche Veränderungen würde der Übergang zur hochtechnologischen Produktionsweise auf kapitalistischer Grundlage mit sich bringen? Ein Ausschnitt dieser Frage: der Blick auf die Umbrüche in den arbeitenden Klassen, auf die Bildung neuer Gruppen von Beschäftigten und die massenhafte Einbeziehung von Frauen in den Produktionsprozess hat Ursula Huws dazu bewegt, den Neologismus K einzuführen. Ihr Buch nennt sie – nach Edward P. Thompsons The Making of the English Working Class (1963) – The Making of a Cybertariat (2003).

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Liebe

I. L als Hingezogensein zu jemand oder etwas Geliebtem mag auf den ersten Blick als grundpositiv erscheinen, eine Kraft, die Menschen verbindet, ein Glücksbringer. Der Gedanke stockt, wenn er auf die Dialektik der L stößt. Diese hebt die Verdinglichung auf, die ihr anderes Selbst, der Sex, begehrt. Wie dieser ist sie allgegenwärtig im Imaginären, in der Religion nicht weniger als in der Reklame. Sie ist bei der Ordnung und bei ihrer Subversion. Sie ist das Persönlichste, dem die unpersönlichen Institutionen – Staat, Kirche, Kapital – ihre Sprache entnehmen.

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Linie Luxemburg-Gramsci

Die Formulierung LLG stammt von Peter Weiss. Er notiert sie in einer Planskizze (Juli 1977) für seine Ästhetik des Widerstands (ÄdW) als Vorhaben für die Gestaltung des Schlussabschnitts; sie steht dort für nichts Geringeres als die Perspektive des Gesamtwerkes.

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Linkskommunismus

Die Oktoberrevolution, die die Arbeiter-, Bauern und Soldatenräte 1917 in Russland an die Macht gebracht hatte, »wurde überall als welterschütterndes Ereignis empfunden« (Hobsbawm 1994/2002, 91). Die regierenden Bolschewiki hatten sich zum Ziel gesetzt, eine sozialistische Gesellschaft zu errichten – ohne Armut, Hunger und Unterdrückung. Nur ein Jahrzehnt später hatte sich dieses Projekt jedoch in sein Gegenteil verkehrt: Arbeiter wurden ausgebeutet, Andersdenkende in Arbeitslager gesteckt, dissidente Kommunisten politisch verfolgt.

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Marxismus Lenins

Werk und Wirken Lenins haben zentrale Bedeutung für die Entwicklung des Marxismus im 20. Jh. Dass drei bis vier Jahrzehnte nach dem Eintreffen Lenins in Petrograd im April 1917 „ein Drittel der Menschheit unter der Herrschaft von Regimen“ lebte, die „unmittelbar“ aus dieser Revolution „und Lenis organisatorischem Modell, der Kommunistischen Partei, hervorgegangen waren“, erweist nach Eric Hobsbawm die 1917 initiierten Umwälzungen als die „gewaltigste Revolutionsbewegung der modernen Geschichte“ (1944/2010, 79).

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Marxistsein/Marxistinsein

Mit dem Objekt ›M‹ rücken die Subjekte ins Thema. Das Politische zeigt sich damit im Persönlichen. Nicht die Verhältnisse sind marxistisch, sondern die Menschen. Die ethische Dimension ihres Handelns und Sich-Haltens gerät ins Blickfeld. Der Objektivismus zieht sich zurück auf deren Bedingungen. Um historische Situierung und Generationsgemeinschaften anzudeuten, werden die im Folgenden exemplarisch zitierten Marxisten und Marxistinnen der ersten 130 Jahre nach dem Tode von Marx mit ihrem Geburtsjahr eingeführt.

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