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Geschichte und Geschichtsphilosophie bei Karl Marx

Zweifelsohne spielen die historischen Betrachtungen im Marx’schen Werk nicht nur für die Analyse, sondern ebenso für die Formulierung der Kritik kapitalistischer Gesellschaften eine wichtige Rolle. Umstritten ist hingegen, wie die geschichtlichen Betrachtungen ihre kritische Wirkung entfalten: Kritisiert Marx seine Gegenwart aus der utopischen Vorwegnahme einer zukünftigen Gesellschaft? Vertritt Marx also eine substantielle Geschichtsphilosophie, bei der gesellschaftliche Entwicklungsstufen einander mit Notwendigkeit ablösen und an deren Ende die befreite Gesellschaft steht? Oder greift diese Interpretation zu weit und sollte seine Geschichtsphilosophie eher als methodisches Hilfsmittel zur nachträglichen Anordnung und Interpretation historischer Ereignisse betrachtet werden?

Entlang einschlägiger Textstellen und unter Berücksichtigung der Veränderungen, die anhand von Vergleichen verschiedener seiner Schriften gesehen werden können, wollen wir dieser Kontroverse auf den Grund gehen. Zum einen soll so die Relevanz historischer Analysen sowie geschichtsphilosophischer Darstellungen im Werk von Marx problematisiert und auf ihre Aktualität hin überprüft werden. Zum anderen werden wir danach fragen, welche Konsequenzen aus den verschiedenen Interpretationen für die handelnden Akteure gezogen werden können.

Eingeladen haben wir Peggy H. Breitenstein (Jena) und Robert Schnepf (Halle). Moderation: Ulrich Brieler (Leipzig).

Veranstaltungsreihe

6. Dezember 2017, 18:00 Uhr
Institut für Zukunft
An den Tierkliniken 38, Kohlrabizirkus, 04103 Leipzig, Deutschland
Veranstalter: 
Eine Veranstaltung von www.marx-expedition.de. In Kooperation mit Kulturraum e.V. - KreV und der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen e.V.

Reihe Marx Expedition 2017/18
200 Jahre Marx: klassische Kontroversen, aktuelle Debatten

Mit dem Erscheinen der Erstausgabe von Karl Marx' Das Kapital vor 150 Jahren begann zugleich eine bis heute anhaltende Rezeptions- und Interpretationsgeschichte. Die daraus hervorgegangenen Varianten des Marxismus erhoben jeweils den Anspruch, den wahren Marx entdeckt zu haben. Die Kontroversen über die verschiedenen Lesarten war dabei keineswegs nur von philologischem Interesse. Je nach Auslegung und Gewichtung wurden unterschiedliche politische Konsequenzen aus den Texten abgeleitet. Während die Sozialdemokratie mit der Annahme eines naturnotwendigen Verlaufs der ökonomischen Entwicklung das revisionistische Programm eines "friedlichen Hineinwachsens in den Sozialismus" legitimierte, sah die Studentenbewegung der 1960er Jahre
den Kern des Marx'schen Werkes in der Entfremdungs-, Verblendungs- und Verdinglichungstheorie. Die Ideologie kapitalistischer Gesellschaften, so ihre Schlussfolgerung, gelte es durch einen revolutionären Akt der Befreiung zu durchbrechen. Im realexistierenden Staatssozialismus hingegen rechtfertigte man die Diktatur des Proletariats mit einem Marx, der mit der Kritik der Fundamente der bürgerlichen Gesellschaft zugleich auch deren Errungenschaften entsorgt habe. Gegenwärtig ist die Verbindung zwischen "dem Marxismus" und den LohnarbeiterInnen gerissen. Die aktuellen akademischen Debatten zu Marx erzeugen kaum gesellschaftliche Resonanz. Gemeinhin gilt Marx als wissenschaftlich widerlegt und als Begründer einer autoritären Gesellschaftsordnung. Kurz: Marx hat ein Imageproblem. Zugleich lässt sich jedoch beobachten, dass das Interesse an Marx und seinen Ideen in jüngster Zeit zunehmend wächst. Aber welcher Marx erlebt hier eine Renaissance? Der frühe Marx als Philosoph der Befreiung oder der späte Marx als Theoretiker des Kapitals? Kommen gar ehemals zentrale Themen des Marxismus, wie Klassenkampf, eine materialistische Geschichtsphilosophie oder die berüchtigte Verelendungstheorie zurück, die lange Zeit als überholt galten?
Anhand von drei klassischen Kontroversen wollen wir exemplarisch unterschiedliche Zugänge zu Marx aufzeigen. In den Podiumsdiskussionen werden jeweils zwei Standpunkte aufeinandertreffen, um nach Plausibilität, Aktualität und den unterschiedlichen praktischen Konsequenzen der jeweiligen Lesarten zu fragen.

Eine Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung