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Marx und die „Kritik im Handgemenge”. Zu einer Genealogie moderner Gesellschaftskritik

Was ist das Spezifische der Marxschen Kritik? Diese Frage steht im Mittelpunkt der im Rahmen des Forschungsprojekts "Marx und die ‚Kritik im Handgemenge'. Zu einer Genealogie moderner Gesellschaftskritik" veranstalteten Tagung.

Die etablierten Pfade der Marx-Rezeption bieten hier nur unvollständige Antworten, da sie oftmals lediglich ein Feld oder eine Phase der Kritik als tragende Stimme identifizieren. Besonders in der deutschsprachigen Debatte wird der Kern der Kritik Marxens entweder in dessen mit dem Prädikat der Wissenschaftlichkeit versehenen Ökonomiekritik identifiziert oder aber umgekehrt gerade in seiner frühen, normativ-ethisch und entfremdungstheoretisch interpretierten Sozialphilosophie. Zweifellos sind dies zwei mächtige Stimmen bei Marx, doch was mit diesen Konturierungen aus dem Blick gerät, ist das verbindende Moment und damit das politische Zentrum seiner Kritik. Dabei handelt es sich nicht um eine immer schon a priori feststehende und bloß variierte Grundthese, sondern um einen ganz bestimmten Modus der Kritik.

Kritik, so eine maßgebliche Annahme des Forschungsprojekts, ist bei Marx nicht mehr allein ein philosophisches oder wissenschaftsimmanentes Urteil, sondern begreift sich immer schon als Teil einer revolutionären Bewegung zur Umwälzung der kapitalistischen Gesellschaftsformation. Kritik ist im Wesentlichen eine gesellschaftliche Praxis vor dem Hintergrund eines politischen Erfahrungsraumes, der sie ermöglicht, provoziert und auf den sie einwirken will. Marx, der stets inmitten von Auseinandersetzungen, von Gegnern und Frontstellungen agiert, hat schon früh für diesen Modus der Kritik ein passendes Bild gefunden: die "Kritik im Handgemenge". Diese Konstellation ist der rote Faden, der die ganz unterschiedlichen Formate und Schaffensphasen seiner Kritik durchzieht. Sie bedingt wesentlich die Herausbildung einer spezifischen Wissensform, die sich als historische, materialistische Wissenschaft von anderen, für affirmativ erklärten Theorien abhebt und immer auch eine ‚Wahrheitspolitik' ist. 

Mit der Tagung soll die Debatte um die Marxsche Kritik wieder stärker an deren Situierung im Handgemenge gebunden und dazu beigetragen werden, dem theoretischen Niederschlag dieser Situierung auf die Spur zu kommen. Nicht zuletzt geht es darum, die Herkunft aus politischen Auseinandersetzungen auch als wesentliches Merkmal moderner Gesellschaftskritik auszuweisen und begrifflich zu erfassen.

Mit u.a.: Johannes Fechner (Frankfurt am Main) zu „Die Sprachkritik im Marx’schen Frühwerk“, Lukas Egger (Wien): „Immanente Kritik oder Metakritik der Moral? Zur Bedeutung von Freiheit und Gleichheit für den Marx’schen Kritikbegriff“, Michael Heinrich (Berlin): „Historisierung, Intervention und Gegenwart. Probleme des biographischen Schreibens über Marx“, Gregor Schäfer (Basel): „Das Proletariat gibt es nicht... Prolegomena zu einer Wahrheitspolitik nach Marx“, Georg Lohmann (Berlin): „Gesellschaftskritik und -diagnose bei Marx“, Rolf Hecker (Berlin): „Marx’ Kapitalismuskritik in der Weltwirtschaftskrise 1857“, Alex Demirović (Frankfurt am Main): „Parteilichkeit der Theorie: zu Politik und Geltung der Wahrheit bei Marx“, sowie Sebastian Schreull/Antje Géra (Hamburg/Hildesheim) zu „Die hohe Kunst der tiefen Schläge. ‚Kritik im Handgemenge’ als Vollzugsform kritischer Theorie“.

Konferenz

3. März 2017, 10:00 Uhr
4. März 2017, 19:15 Uhr
Universität Osnabrück
Gebäude 15, 49074 Osnabrück, Deutschland
Veranstalter: 
Universität Osnabrück, Deutsche Forschungsgemeinschaft