„Was das Proletariat hebt und reif macht, das sind die Klassenkämpfe.“

Vorwort zum Kommunistischen Manifest von Karl Kautsky, J.H.W. Dietz Nachfolger, 1928

Vorwort zur neuen Ausgabe

Als ich vor mehr als zwanzig Jahren aufgefordert wurde, zur siebenten autorisierten Auflage des „Kommunistischen Manifestes“ ein Vorwort zu schreiben, da konnte ich feststellen, daß es wohl in Einzelheiten überholt und veraltet sei, daß aber die Grundsätze, die es entwickelt, die Methode, zu der es uns anleitet, und das Charakterbild der Produktionsweise, in der wir leben, in keiner Weise an Geltung verloren haben.

Das dürfen wir auch heute noch wiederholen, obwohl das „Kommunistische Manifest“ nun schon mehr als achtzig Jahre alt ist und obwohl in den letzten zwei Jahrzehnten der Weltkrieg und der Umsturz der drei mächtigsten Militärmonarchien die alte Welt aufs tiefste erschüttert haben.

Auch von dem, was ich 1906 in meiner Vorrede über die Art ausführte, wie wir das „Kommunistische Manifest“ heute zu betrachten haben, brauche ich nichts Wesentliches zurückzunehmen, trotz der Umwälzungen, die sich seitdem vollzogen. Nur aus Raumrücksichten habe ich seine Wiedergabe in der Neuausgabe gekürzt.

Die zweite Revolution in Rußland hat das „Kommunistische Manifest“ erneut zu besonderer Bedeutung gebracht, denn diese Revolution nahm ihren Ausgangspunkt von politischen und sozialen Bedingungen, die in vielen jenen gleichen, die in Deutschland zur Zeit der Abfassung des „Kommunistischen Manifestes“ bestanden. Und die Partei, die in Rußland seit der Revolution die Diktatur übt, die bolschewistische, stützt sich mit Vorliebe auf das Kommunistische Manifest. Die Bolschewiki nennen sich denn auch „Kommunisten“ und beanspruchen, die wahren Erben und Fortsetzer des „Bundes des Kommunisten“ zu sein, dessen Manifest Marx und Engels 1847 abfaßten.

Bis zur zweiten russischen Revolution zweifelte niemand daran, daß die sozialdemokratischen Parteien die Parteien des Marxismus seien. Sie alle erkennen das Kommunistische Manifest als ihre Grundlage an. Seit einem Jahrzehnt aber bestehen neben den Sozialdemokraten die Kommunisten und bekämpfen die Sozialdemokratie allenthalben auf das erbittertste. Und doch stützen sich die einen wie die anderen auf das gleiche Kommunistische Manifest.

Wie ist das möglich geworden?

Zum Teil dadurch, daß die Kommunisten den Hauptwert aus jene Stellen des Manifests legen, die überholt sind, die zum Teil Marx und Engels selbst in der Weiterentwicklung ihrer Theorie aufgaben. Es sind Stellen, die durch die Rückständigkeit der Verhältnisse erklärlich werden, unter denen sie geschaffen wurden.

Aber freilich, die grundlegenden Gedankengänge des Manifests werden trotz der Wandlung der Verhältnisse seit achtzig Jahren auch von der Sozialdemokratie anerkannt. Was tun da die Kommunisten von heute, um ihren Gegensatz zur Sozialdemokratie mit dem Hinweis auf das Kommunistische Manifest begründen zu können? Sie legen ganz einfach manchem seiner Sätze einen Sinn unter, der nicht in ihnen liegt.

Ihre Methoden, das Kommunistische Manifest für sich auszubeuten, lassen sich deutlich verfolgen bei den Versuchen, aus dem Manifest jene Verachtung der Demokratie herauszulesen, die für die Kommunisten von heute kennzeichnend ist.

Ist diese Verachtung im Manifest wirklich zu finden?

Es ist richtig, es spricht fast gar nicht von der Demokratie. Aber doch schweigt es nicht ganz von ihr. In einem Sätzchen erkennt es ihre Notwendigkeit an. Es heißt im Manifest (II.):

„Der erste Schritt in der Arbeiterrevolution ist die Erhebung des Proletariats zur herrschenden Klasse, die Erkämpfung der Demokratie.“

Wie dieser Satz zu verstehen ist, das geht unzweideutig aus der Fassung hervor, die ihm Engels in seinem Entwurf des Manifestes gab, der dem schließlichen mit Marx gemeinsam geschaffenen Text vorausging (1914 von Bernstein veröffentlicht unter dem Titel: „Grundsätze des Kommunismus, eine gemeinverständliche Darstellung von Friedrich Engels“).

Es heißt dort über den zu erwartenden Entwicklungsgang der proletarischen Revolution:

„Sie wird vor allen Dingen eine demokratische Staatsverfassung und damit direkt oder indirekt die politische Herrschaft des Proletariats Herstellen. Direkt in England, wo die Proletarier schon die Majorität des Volkes ausmachen. Indirekt in Frankreich und Deutschland, wo die Majorität des Volkes nicht nur aus Proletariern, sondern auch kleinen Bauern und Bürgern besteht, welche eben erst im Uebergang ins Proletariat begriffen sind und in allen ihren politischen Interessen mehr und mehr vom Proletariat abhängig werden und sich daher bald den Forderungen des Proletariats fügen müssen.“ (S. 24.)

Die von Engels am Schlusse dieses Absatzes ausgesprochenen Erwartungen waren trügerisch. Daß die Dinge für uns nach der Eroberung der Demokratie nicht gleich so günstig liegen, wie Engels 1847 annahm, darüber haben wir seit der Revolution von 1848 eine Fülle sehr drastischer und schmerzlicher Erfahrungen sammeln können.

Indes darum handelt es sich hier nicht, für uns kommt jetzt nur die Tatsache in Betracht, daß die Väter des Kommunistischen Manifests zur Zeit seiner Abfassung ganz entschieden eine demokratische Staatsverfassung verlangten. Sie haben später manche der Forderungen fallen lassen, die sie im Manifest ausgesprochen hatten, jedoch niemals die der Demokratie.

Aber wenn Marx und Engels die Demokratie forderten, warum sprachen sie dann im Kommunistischen Manifest nur in wenigen Sätzen ganz vorübergehend von ihr? War das nicht doch ein Zeichen der Geringschätzung?

Mitnichten. Das Kommunistische Manifest hatte die Aufgabe, jene Punkte zu behandeln und zu erläutern, durch die sich die marxistische Auffassung von denen der anderen revolutionären Parteien und Richtungen ihrer Zeit unterschied. Es war ganz überflüssig, jene Punkte ausführlich zu behandeln, die sie mit den anderen gemeinsam hatte, die damals für jeden Revolutionär selbstverstän dlich waren.

Ueber Selbstverständliches schrieben sie nicht besonders. Darum veröffentlichten sie auch keine ethischen Abhandlungen. Man hat sie nicht selten für eiskalte Rechenmaschinen erklärt, weil sie sich so sparsam über Begeisterung und Selbstlosigkeit äußerten. Aber es ist ein Unsinn, wenn manche sozialistisch gesinnten Gegner des Marxismus vermeinen, ein besonderes ethisches Feuer in unserer Bewegung entzünden zu müssen, da der Marxismus solches nicht erzeuge. Marx und Engels schätzten dieses Feuer nicht gering, aber es lodert in der Brust eines jeden Kämpfers für die Befreiung des Proletariats, sie brauchten es nicht besonders zu erörtern. Und es entzündet wohl Tatendrang, läßt aber die Frage, wie er sich äußern soll, völlig im Dunkeln. Bedeutet das marxistische Schweigen über die selbstverständlichen ethischen Grundlagen des Klassenkampfes keine Geringschätzung starken ethischen Empfindens, so gilt dasselbe für ihr Absehen von ausführlichen Darlegungen über die Demokratie im Manifest. In der Praxis spielte die Forderung der Demokratie für sie eine ebenso große Rolle, wie begeisterter Idealismus. Aber für die Demokratie kämpfte um 1848 in Deutschland jeder auch nur einigermaßen fortschrittlich gesinnte Mensch. Was jedoch nicht alle einsahen, war die Tatsache, daß die Demokratie für die Befreiung der Arbeiter nicht genügen konnte und was über sie hinaus anzustreben sei, das wurde eben der Gegenstand des Forschens der Verfasser des Manifestes.

Die Vorteile der Demokratie dem Proletariat ausführlich klarzulegen wurde erst notwendig, als Sozialisten auftraten, die sie ablehnten, wie die Bakunisten und dann ihre Nachfolger, die bolschewistischen Kommunisten.

Eines müssen wir diesen allerdings in der Frage der Demokratie zugeben: Die Vorstellungen, die Marx und Engels zur Zeit der Abfassung des Kommunistischen Manifestes über die Wirkungen der Demokratie hegten, unterscheiden sich sehr von denen, die heute in unseren Reihen vorherrschen.

Das sei den Bolschewiks zugegeben. Doch dürfen wir darüber eins nicht vergessen: jene Vorstellungen von 1847 unterscheiden sich auch von denen, die unsere Meister selbst später auf Grund ihrer Erfahrungen seit 1848 gewannen.

Zur Zeit der Abfassung des Manifestes stellten sich Marx und Engels die kommende Revolution noch ganz nach dem Muster der großen französischen Revolution vor. Sie hielten sich nicht frei von jakobinischen Gedankengängen. Das näherte sie stark dem Blanquismus. Allerdings waren sie schon damals weit über ihn hinausgekommen. Sie lehnten bereits jede Putschmacherei entschieden ab. Es heißt in dem schon erwähnten Engelsschen Entwurf des Kommunistischen Manifestes:

„Die Kommunisten wissen zu gut, daß alle Verschwörungen nicht nur nutzlos, sondern sogar schädlich sind. Sie wissen zu gut, daß Revolutionen nicht absichtlich und willkürlich gemacht werden, sondern daß sie überall und zu jeder Zeit die notwendige Folge von Umständen waren, welche von dem Willen und der Leitung einzelner Parteien und ganzer Klassen durchaus unabhängig sind.“ (S. 23.)

Und das Kommunistische Manifest sagte ausdrücklich in dem Kapitel über „kritisch-utopischen Kommunismus“, daß alle Versuche des Proletariats, „in der Periode des Umsturzes der feudalen Gesellschaft direkt sein eigenes Klasseninteresse durchzusetzen, notwendig an der unentwickelten Gestalt des Proletariats, an dem Mangel der materiellen Bedingungen seiner Befreiung“ scheitern müssen, da die entwickelte Gestalt des Proletariats und die notwendigen materiellen Bedingungen „eben erst das Produkt der bürgerlichen Epoche sind“.

Diese Erkenntnis bildet ja gerade eine der wichtigsten historischen Leistungen des Kommunistischen Manifestes, durch die es sich hoch über jede andere Art des Sozialismus erhob, auch über jene Richtung, die es als kritisch-utopischen Kommunismus bezeichnete und die grundverschieden war von dem Kommunismus, den Marx und Engels lehrten.

Aber trotz des gewaltigen theoretischen Fortschritts über den Blanquismus, den sie 1847 schon gemacht hatten, waren Marx und Engels mit ihm in ihrer Praxis doch insofern verbunden, als sie glaubten, in der Geschichte der Revolution zeige sich die Tatsache, daß „in allen längeren revolutionären Perioden die großen Volksmassen leicht durch bloß plausible Vorspiegelungen der vorwärts drängenden Minoritäten zu gewinnen seien“, auch wenn diese bürgerlicher Art sind, gar nicht die Interessen der Massen vertreten. Sollten da die Massen einer sozialistischen Minorität weniger zugänglich sein, die doch ihre eigenen, wenn auch „noch unverstandenen, nur erst unbestimmt gefühlten Bedürfnisse“ vertritt? (Engels in seiner Einleitung zu Marx' Klassenkämpfen auf S. 8.)

Marx und Engels erwarteten 1847 eine länger dauernde Revolution. Sie nahmen an, diese werde nicht nur die Demokratie bringen, sondern auch die Massen trotz ihrer Rückständigkeit um die sozialistische Minderheit scharen und so die Demokratie zu einem Mittel der sofortigen Befreiung des Proletariats machen.

In dem schon mehrfach zitierten Engelsschen Entwurf zum Kommunistischen Manifest heißt es:

„Die Demokratie würde dem Proletariat ganz nutzlos sein, wenn sie nicht sofort als Mittel zur Durchsetzung weiterer, direkt das Privateigentum angreifender und die Existenz des Proletariats sicherstellender Maßregeln benutzt würde.“ (S. 24.)

Das war ein Irrtum. Kurz vor seinem Tode hat Engels das in seiner eben zitierten Einleitung zur Neuausgabe der Marxschen „Klassenkämpfe in Frankreich“ (die Einleitung ist datiert: 6. März 1895) selbst bekannt. Er sagte dort:

„Die Geschichte hat uns allen, die ähnlich dachten, Unrecht gegeben.“ (S. 8.)

„Wo es sich um eine vollständige Umgestaltung der gesellschaftlichen Organisation handelt, da müssen die Massen selbst mit dabei sein, selbst schon begriffen haben, worum es sich handelt, für was sie eintreten sollen. Das hat uns die Geschichte der letzten fünfzig Jahre gelehrt. Damit aber die Massen verstehen, was zu tun ist, dazu bedarf es langer, ausdauernder Arbeit, und diese Arbeit ist es gerade, die wir jetzt betreiben, und das mit einem Erfolg, der die Gegner zur Verzweiflung treibt.“ (S. 10.)

Bereits die Erfahrungen der Jahre 1848 und 1849 hatten die Erwartung sehr herabgestimmt, als könne eine entschlossene sozialistische Minderheit die unwissenden Massen sofort zu sozialistischer Praxis führen. Schon im September 1850 rief Marx den „Revolutionsromantikern“ im Kommunistenbunde zu:

„Während wir den Arbeitern sagen: Ihr habt 15, 20, 50 Jahre Bürgerkriege und Völkerkämpfe durchzumachen, nicht nur um die Verhältnisse zu ändern, sondern um euch selbst zu ändern und zur politischen Herrschaft zu befähigen, sagt Ihr im Gegenteil: Wir müssen gleich zur Herrschaft kommen oder wir müssen uns schlafen legen.“

Das klang schon anders als die Erwartungen, die sie unmittelbar vor der Revolution von 1848 gehegt. Doch steckte auch in diesen Sätzen eine falsche Voraussicht. Sie enthielten einen Irrtum nicht bloß in bezug aus das erwartete Tempo der Bewegung — solche Irrtümer sind unvermeidlich —, sondern auch über die Methoden, das Proletariat zur Herrschaft zu befähigen. Marx nennt 1850 als solche: „Bürgerkriege und Völkerkämpfe.“ Die erzieherischen Wirkungen der Völkerkämpfe weisen wir heute nach den gemachten Erfahrungen schaudernd zurück. Bürgerkriege hat es in Westeuropa seit 1848, abgesehen von der kurzen, lokalen Episode der Pariser Kommune von 1871, keine mehr gegeben, und auch in Osteuropa keine bis zum Ende des Weltkrieges. Aber die Bürgerkriege, die sich an diesen anschlossen, haben auch nirgends dazu beigetragen, das Proletariat intellektuell und moralisch zu heben und seine Organisationen zu kräftigen und auszudehnen.

Allerdings hatte Marx ganz recht, wenn er annahm, daß die beste Schule des Proletariats, seine wirksamste Vorbereitung für die politische Herrschaft, der Kampf ist. Aber nicht Völkerkämpfe und Bürgerkriege. Diese Erwartung entsprang noch zu sehr einem Schauen mit den Augen der Revolutionäre von 1792 und 1793.

Nein. Was das Proletariat hebt und reif macht, das sind die Klassenkämpfe, die es ununterbrochen führt, politische und ökonomische, überall dort, wo es einigermaßen demokratische Rechte und damit Bewegungsfreiheit errungen hat. Und solche Bewegungsfreiheit, als Nachwirkung und Vollendung der Kämpfe von 1848, errang es fast überall in Europa, nachdem das Jahrzehnt der Reaktion seit 1850 überwunden war.

Erziehung der Arbeiterschaft durch ihre auf Grundlage der Demokratie geführten Klassenkämpfe, das war die neue Praxis des Befreiungskampfes des Proletariats. Marx selbst war einer der ersten, die das anerkannten, wie er der erste Sozialist gewesen war, der schon vor 1848 aus die Bedeutung der Gewerkschafteil hingewiesen hatte. Er brachte die neue Praxis in der ersten Internationale zur Geltung, mit Erfolg gegenüber den Mazzinisten. Weniger Glück hatte er später in seinem Kampf gegen Bakunin, der im Gegensatz zur neuen Praxis des Klassenkampfes auf Grundlage der Demokratie alte Illusionen des „utopistischen Kommunismus“ durchzusetzen suchte, die der „unentwickelten Gestalt“ des russischen Proletariats entsprachen, von Marx und Engels jedoch schon im Kommunistischen Manifest abgewiesen worden waren. An diesem Konflikt ging die erste Internationale zugrunde. Die zweite Internationale fußte völlig auf der von Marx und Engels in der ersten Internationale anerkannten Praxis der Hebung des Proletariats durch Klassenkamps in der Demokratie. Seit dem Weltkrieg ist die internationale Bewegung des Proletariats wieder gespalten in die sozialistische Arbeiter- internationale, die den Klassenkampf auf der Grundlage der Demokratie anerkennt und führt, und die Dritte Internationale, die eine Erneuerung des „utopistischen Kommunismus“ darstellt, vielleicht noch nicht seine letzte, solange es Arbeiterschichten und Gebiete gibt, in denen eine „unentwickelte Gestalt des Proletariats“ zu finden ist, z. B. in China und Indien.

Wir sehen jetzt, wie wir die Stellung des Kommunistischen Manifestes zur Demokratie aufzufassen haben: Es ist nicht richtig, daß es von der Demokratie geringschätzig spricht oder gar sie verwirft. Es fordert sie vielmehr als ersten Schritt der proletarischen Revolution. Aber Marx und Engels betrachteten sie zunächst nur als Mittel des Proletariats, sofort die politische Macht zu erringen und sozialistische Maßregeln durchzusetzen. Diese Wirkung hat die Demokratie noch nirgends gehabt. Dafür erwies sich das Proletariat bisher noch überall als zu schwach.

Aber aufs äußerste wirksam und höchst unentbehrlich hat sich die Demokratie seit einem Jahrhundert in einer Funktion erwiesen, die zur Zeit der Entstehung des Kommunistischen Manifestes nur in durstigen Ansätzen bestand und die zu ausgiebiger, länger dauernder allgemeiner Wirkung erst nach Marx Tode in Europa gelangte: Diese hochwichtige Funktion übt die Demokratie als die Grundlage aus, auf der allein das Proletariat sich in Masse organisieren, in Masse kämpfen kann, nicht in verzweifelten Erhebungen ohne bestimmte Ziele, die stets erfolglos zusammenbrechen, sondern in stetem planvollen und erfolgreichen Ringen. Dabei gelingt es ihm, eine Position des bürgerlichen Staates und der bürgerlichen Gesellschaft nach der anderen zu erobern und mit jedem Fortschritt an Kraft und Einsicht zu wachsen. Auf diese Weise wird es immer mehr befähigt, das ganze Staatswesen, den ganzen Produktionsprozeß zu beherrschen und zu erhöhten Leistungen für die gesamte Volksmasse zu erheben.

Diese Funktion der Demokratie, die immer erfolgreicher in Wirkung tritt, war bisher ihre wichtigste.

Ueber sie gibt uns das Kommunistische Manifest direkt keine Auskunft. Und doch ist sie vollständig nur zu begreifen von dem Boden dieses Manifestes aus, der Lehre vom Klassenkampf. Nur von diesem Standpunkt aus werden wir der Demokratie völlig gerecht.

So kommen wir immer wieder zum Kommunistischen Manifest zurück, trotz aller Wandlungen der Umwelt, trotz aller neuen Erfahrungen, die sie uns bringen. Wir begreifen sie um so besser, je besser wir das Manifest begreifen. Und jede neue Erfahrung bestätigt seine Grundsätze aufs neue, macht es immer mehr zum unerschütterten und unerschütterlichen Grundstein unserer aufbauenden Arbeit.

Wien, Mai 1928
Karl Kautsky

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