Auf Facebook hat sich eine kleine Diskussion über eine Fußball-Weltauswahl der All time Favorites linker Theorie und Gesellschaftskritik entzündet. Anlass war eine erstaunlich uninspirierte Aufstellung in der italienischen Tageszeitung Repubblica; in der Facebook Diskussion wurde zudem auf Monty Pythons Klassiker verwiesen, auf das Philosophen-Match Germany vs. Greece.
Was die Auswahl und Aufstellung in der Repubblica angeht, so ist bereits Marx im Tor befremdlich: als echter Spielmacher müsste er natürlich Cheftrainer sein oder sportlicher Direktor.
Auch dass Adorno ins Mittelfeld gestellt wird, statt in die Defensive und ins Abwehrzentrum, ist ein Rätsel. Zumal er an der Seite von Foucault spielen soll, wo Foucault doch Adorno eher peripher zur Kenntnis nahm und Adorno seinerseits auf Foucault kaum reagiert hat, und wenn, dann eher irritiert. Ein fruchtbares Zusammenspiel, obwohl es in ihrer Spielanlage jeweils eigentlich angelegt zu sein scheint, ja obwohl beide sogar (Steil-)Vorlagen für den jeweils anderen vermuten lassen, ist aufgrund der distanzierten Situation nicht zu erwarten.
Auch die Besetzung für das Flügelspiel ist mehr als zweifelhaft. Dass auf der rechten Seite Hobsbawm Wallerstein bedient, mag noch wahrscheinlich sein, auch wenn Benjamin in der Tiefe vielleicht nicht recht in die Reihe passt. Überhaupt taugen Spieler aus dem Umfeld der Kritischen Theorie eher dafür, ein Spiel zu eröffnen – für den graden direkten Abschluss ist ihre Spielanlage sicher zu umständlich und zu defensiv eingestellt.
Ob auf der linken Seite Luxemburg, Said und Bloch harmonieren, ist ebenfalls fraglich. Bloch macht trotz seiner philosophischen Wendungen und Wandlungen insgesamt doch einen recht schwerfälligen Eindruck und wäre vielleicht eher eine Bank zentral in der Abwehr. Luxemburg kann sicher ein Spiel eröffnen und spielt grundsätzlich mannschaftsdienlicher als die meisten ihrer Mitspieler. Außerdem ist sie, ähnlich wie Benjamin, durch alle Mannschaftsteile und alle Fanfraktionen hindurch äußerst beliebt; vielleicht sollten solche Integrationsfiguren sogar Mannschaftskapitän sein.
Bauman (gemeint ist wohl Zygmunt) hat in der ersten Mannschaft, bei aller Liebe, nichts zu suchen. Ohnehin müssten in die Offensive Vertreter der Avantgarde. Die künstlerische Avantgarde, z.B. Guy Debord, müsste als Kreativabteilung und für die Vorbereitung ins offensive Mittelfeld, die Partei-Avantgardisten müssten für den Abschluss in strategisch entscheidender Position zentral in die Spitze. Hier bietet sich Lenin als echte Spitze an, als „Raumdeuter“, der ein Spiel zu lesen versteht und über ein hervorragendes strategisch-taktisches Spielverständnis verfügt, jemand mit Zug zum Tor und Willen zum Abschluss. Eine Alternative wäre Mario Tronti als Verbindung zwischen der kreativ-künstlerischen Abteilung im Mittelfeld und der Partei-Avantgarde im Sturm.
Für die langen Wege (oder vielmehr den langen Marsch) von hinten in die Spitze drängt sich natürlich Mao auf; in der Facebook-Diskussion wurde er zwar als „Wasserträger“ für die Ersatzbank vorgeschlagen, aber auf der Ersatzbank macht gerade ein Wasserträger wenig Sinn. Zum Einwechseln als Joker bietet sich vielmehr irgendeine ambitionierte, aufstrebende, aber noch nicht voll verlässliche und schwer einschätzbare junge Kraft an, vielleicht die Insurrectionisten von Tiqqun oder, als erfahrene Variante, Agamben. (Tiqqun wurden als Ultras für die Kurve vorgeschlagen.) Sollte die Mannschaft aussichtslos zurückliegen, müsste jedenfalls ein Vertreter eines schwachen Messianismus (Benjamin, Derrida) zur Einwechslung bereit stehen. Falls die Situation völlig hoffnungslos ist, könnte man es zur Not auch mit der Brechstange versuchen und eine existenziale Variante ins Feld schicken: Lukács, Sartre, Beauvoir oder Badiou; solche Varianten sollten jedenfalls für alle Fälle auf der Bank zur Verfügung stehen.
Dagegen sollte Zizek mit seiner unorthodoxen Spielweise vielleicht von Beginn an auflaufen; er ist immer für eine Überraschung gut, aber ebendarum sollte er besser nicht auf eine Position, wo das womöglich Schaden anrichten kann (also weder Tor noch Abwehr).
Althusser dagegen sitzt zu Recht nur auf der Bank, hält er doch Fußball für eine kommunistische Situation, weil unter Gleichen gemeinschaftlich aus nicht-kommerziellen Zwecken ohne Zwang und Unterdrückung gespielt werde – obwohl doch die Situation nicht nur des Fußballs, sondern des Spiels überhaupt die Situation der freien Marktwirtschaft schlechthin ist: unter vorab festgesetzten und akzeptierten Regeln sowie unter Anerkennung seinesgleichen möge sich, unter gegebenenfalls eingreifender Aufsicht, im freien Spiel der Kräfte der Stärkere durchsetzen.