„Jede Edition ist ein Kind ihrer Zeit“

Zur Editionsgeschichte des literarischen Nachlasses von Karl Marx und Friedrich Engels

I. Die historischen Schicksale der Marx-Engels-Edition und ihr Platz in der neugermanistischen Editionsphilologie

 

Eine große Edition dokumentiert in einem
Werk- und Lebenszusammenhang exemplarisch
immer auch einen gesellschaftlichen und politischen
Raum, eine historische und geistige Situation, und
sie empfängt auch daraus ihre Rechtfertigung.[1]

Seit der Renaissance gehört es zu den Voraussetzungen und Eckpfeilern europäischer Geistesentwicklung, kritische Ausgaben von Werken herausragender Persönlichkeiten für die wissenschaftliche Zirkulation zugänglich zu machen. Indem historisch-kritische Editionen den überlieferten Text zuverlässig und vollständig bereitstellen und entstehungsgeschichtlich dokumentieren, bilden sie das Fundament aller weiteren Beschäftigung mit dem Text. Damit erlangten im 18. und 19. Jahrhundert die kritischen Ausgaben von Werken bedeutender Dichter und Denker der Antike (Altphilologie) große Anerkennung. Allmählich bezogen sie auch mittelalterliche Schriften (Mediävistik) und seit Mitte des 19. Jahrhunderts auch Autoren der Neuzeit ein.

Die neugermanistische Edition stand zu ihrem Beginn infolge einer schematischen Übertragung altphilologischer Editionsziele und -methoden auf Werke neuerer deutscher Autoren mit ihrer völlig anderen Überlieferungssituation im Zeichen eines prinzipiellen Irrtums, der diese Editionen nachhaltig diskreditierte (Lesartenhalden). Erst im 20. Jahrhundert gelangte sie zum Verständnis ihrer ureigenen Aufgaben. Vor allem in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts wurden die innovativen (historisch-)kritischen Ausgaben, in denen neue editionstheoretische Überlegungen ihre praktische Umsetzung erfuhren, gewissermaßen zu Leuchttürmen in der Geschichte der neugermanistischen Editionsphilologie, die ihr den Status einer selbständigen Wissenschaftsdisziplin einbrachten. Zugleich ragten sie aus einer Fülle vielfältiger Editionen und intensiver Editionstätigkeit heraus. Die jeweils vorhandenen, oft als unzureichend empfundenen, oder auch noch ausstehende Ausgaben vom Werk bestimmter Autoren erwiesen dabei als eine Antriebsfeder für das Bemühen um neue Editionen, wobei die zeitgeschichtlichen und literatur- und wissenschaftspolitischen Kontexte natürlich wesentlichen Einfluss nahmen. In diesen vielfältigen, oft auch heftig umstrittenen Prozessen wurde zugleich eine einengende germanistische Sichtweise aufgebrochen, die Editionslandschaft weiter aufgefächert, nach und nach nicht nur die schöne Literatur, sondern auch Briefwechsel, Tagebücher und vor allem wissenschaftliche Texte (Philosophie, Geschichte, Sozial- und Naturwissenschaften usw.) einbezogen.[2]

Editionen sind stets an gesellschaftliche, autor- und werkgebundene Faktoren wie auch an die jeweiligen Auffassungen des Herausgebers oder Verlegers und technischen Möglichkeiten gebunden. Die Editionsgeschichte widerspiegelt also auch immer gesellschaftliche Zustände – das jeweils politisch-ideologisch Wünschenswerte kann textlich Vorhandenes und editorisch Machbares bevorzugen, selektieren oder unterdrücken, seine editorische Kommentierung in eine bestimmte Richtung lenken und so die darauf basierenden wissenschaftlichen Forschungen auch fehlorientieren, irritieren oder behindern.[3] Wie konnte man sich überhaupt im vergangenen Jahrhundert auf eine normale wissenschaftliche Weise ein gültiges, objektives Bild über ein Lebenswerk verschaffen, das sich in einem widerspruchsvollen, schwer überschaubaren, umstrittenen und bis heute noch nicht abgeschlossenen Veröffentlichungsprozess befindet? Und das in einer von bisher nicht gekannten Konflikten erschütterten Welt, in denen dieses Œuvre in seinem Für und Wider, seiner Idealisierung und Verdammung eine besondere Rolle zukam, wie dies bei Marx und Engels besonders deutlich wird.[4]

Editionen, vor allem die für wissenschaftliche Zwecke veranstalteten Gesamtausgaben – so auch die MEGA² – sind zugleich wissenschaftliche Großunternehmen, meist sehr kostenintensiv und langfristig, binden zahlreiche qualifizierte Arbeitskräfte. Es ist deshalb eine legitime Forderung, auch im Bereich der Edition den Aufwand in ein angemessenes Verhältnis zum Nutzen zu setzen, nach dem Warum? Wozu? Für wen? zu fragen. Ihre gesellschaftliche Rentabilität lässt sich nicht einfach in Zahlen und Geldwert ausdrücken, ihr ‚Nutzen’ nur aus Langzeitwirkungen erschließen. Letzterer sollte also keineswegs zu eng und kurzschlüssig betrachtet werden. Editionen als unverzichtbare kulturelle und wissenschaftliche Dokumentationen können schließlich schriftlich hinterlassene Lebenswerke im jeweiligen zeitgeschichtlichen Gedächtnis positionieren, einen wie auch immer gearteten Kanon beeinflussen und Forschungsaktivitäten kanalisieren.

Gegenwärtig scheint allerdings die Ära der vielbändigen historisch-kritischen Ausgaben, die im 19. Jahrhundert als repräsentativer und wissenschaftlich qualifizierter Editionstyp eingeführt und im 20. Jahrhundert perfektioniert worden ist, zumindest was die öffentliche Förderung angeht, auf einer absteigenden Linie. Der Gebrauchswert, Aufwand und Ergebnis dieser Gesamtausgaben stehen auf dem Prüfstand. Es wird der Auffassung widersprochen, dass durch die Erarbeitung großer Editionen am besten das kulturpolitische Anliegen einzulösen sei, das hinterlassene Werk bedeutender Literaten, Wissenschaftler oder Musiker in einer Gesamtausgabe zu erschließen und zu bewahren. Eine immer deutlicher zutage tretende Überlegenheit der elektronischen Editionen gegenüber dem traditionellen Buchdruck unterstützt diese Tendenz.

Nicht nur Editionen, Editoren, Herausgeber, Verlage und Institutionen stehen traditionell in einem engen Beziehungsgeflecht. Es besteht zudem ein Ineinandergreifen von Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte, Editions- und Rezeptionsgeschichte, das für ein tieferes Eindringen und Verständnis der schriftlichen Hinterlassenschaft eines Autors unentbehrlich ist. Auch das „Spannungsfeld“ von Politik und Wissenschaft hat in der Geschichte der Editionen tiefe Spuren hinterlassen. Editionen verdanken ihre Entstehung vorwiegend Mitteln, die seitens staatlicher Institutionen oder auch einzelner politischer oder wirtschaftlicher Interessengruppen bereitstellt werden. Eine solche Förderung birgt auch die Gefahr einer Instrumentalisierung von Editionen.[5] Nicht nur die Geschichte der Marx-Engels-Ausgaben bietet ein eindrucksvolles Beispiel dafür. Doch selbst bei einer positiven Zusammenarbeit zwischen Editionen und Institutionen kommt es nur selten zu einem völligen Konsens. In welchem Maße institutionelle Kontexte bei der Entstehung, Ausgestaltung oder Verhinderung von Editionen eine Rolle spielen, bleibt noch ausstehenden Recherchen vorbehalten. Jedenfalls waren sie in der Editionsgeschichte stets ein wichtiger Faktor.[6]

Bei mannigfaltigen Zwischen- und Übergangsformen hat sich seit den 1970er Jahren eine Konzentration auf drei ‚Grundtypen’ herausgebildet: Historisch-kritische Ausgaben, Studienausgaben und Leseausgaben. Von Inhalt und Umfang her werden wiederum Gesamtausgaben, Werksammlungen, thematische Auswahleditionen und Einzelausgaben unterschieden. Dabei setzt sich zunehmend eine funktionale Betrachtungsweise durch, die die unterschiedlichen Ausgabetypen als ein Ensemble komplementärer editorischer Aufgabenstellungen begreift.[7]

Jede seriöse Edition setzt ein bestimmtes Maß an Grundlagenforschung voraus. Der Idealfall wäre zweifellos, wenn auf Basis einer wissenschaftlichen Gesamtausgabe Studienausgaben hergestellt werden, wie z.B. die Große und die Kleine Stuttgarter Hölderlin-Ausgabe (editio major und editio minor) oder die Taschenbuch-Ausgabe von Georg Trakls Werken auf der Grundlage ihrer historisch-kritischen Edition. Ein solches Verfahren hat allerdings bis auf wenige Ausnahmen nicht wirklich funktioniert. Eine kommentierte kritische Werkausgabe ist in der Praxis längst zur Hauptform von Autoreditionen geworden, die noch vor (gegenwärtig immer seltener in Angriff genommenen) aufwendigen und langwierigen akademischen Gesamtausgaben rangiert.

Die historisch Abfolge der Marx-Engels-Edition – Leseausgaben von einzelnen oder ausgewählten Schriften, repräsentative Werkausgaben (nach dem kurzen Intermezzo einer Torso gebliebenen Gesamtausgabe) und schließlich eine neue (noch im Erscheinen begriffene) historisch-kritische Gesamtausgabe – stellt also durchaus keinen zu rügenden Sonderweg dar, sondern hat sich zwangsläufig aus dem besonderen Charakter des Œuvres dieser Autoren sowie den geschichtlichen Situationen und den sich daraus abzuleitenden Zielsetzungen und Bedingungen der Editionstätigkeit ergeben.

Eine sachgerechte und ausgewogene Beurteilung von Editionen muss vor allem folgende Kriterien in ihre Betrachtung einbeziehen:

  1. Welchen Editionstyp stellt die jeweilige Ausgabe dar, wie definiert sie sich selbst und inwieweit wird sie diesem Anspruch gerecht? Erfüllt sie die zentrale Aufgabe jeder Edition, einen gesicherten, zuverlässigen Text zur Verfügung zu stellen?
  2. In welchem historischen Rahmen, unter welchen politischen, sozialen, kulturellen Bedingungen entstand die Edition? Wie war der zeitgenössische wissenschaftliche Forschungsstand, auch hinsichtlich der Editionsphilologie? Fand er ausreichende Beachtung?
  3. Wie war es mit der Überlieferungslage und dem Stand ihrer Erforschung bestellt? Welche institutionellen, materiellen, technischen und personellen Voraussetzungen waren gegeben?[8]

Jede Edition ist ein Kind ihrer Zeit und der obwaltenden gesellschaftlichen Bedingungen und Umstände. Man darf also nicht später erreichte Erkenntnisse und Möglichkeiten als Maßstab für ihre Bewertung anlegen. Jede neue Autoredition steht auf den Schultern ihrer Vorgänger, kann auf ihren Vorleistungen aufbauen, ihre Vorzüge nutzen und ihre Unzulänglichkeiten vermeiden. Oberflächliche oder besserwisserische Be- oder Verurteilungen sind nicht gefragt, sondern gründliches Analysieren und sorgfältiges Bewerten.

Die Geschichte jeder (Autor-)Edition besitzt entsprechend den gesellschaftlichen Bedingungen und ihrer autor- und werkbezogenen Faktoren ihren ganz spezifischen Verlauf. In besonderer Weise trifft dies zu auf die mühsame und wechselvolle, engagierte und tragische, von Freunden unterstützte und Gegnern bekämpfte, immer von neuem bedrohte und letztlich doch erfolgreiche Geschichte des Ringens um eine vollständige und kritische Darbietung des literarischen Nachlasses von Karl Marx und Friedrich Engels. Im Folgenden soll versucht werden, diesen nahezu hundertfünfzigjährigen Prozess, der sich lange Zeit auf einer eigenen Traditionslinie außerhalb der neugermanistischen Philologie vollzog, in seinen wesentlichen Schritten nachzuzeichnen und seine editorischen Ergebnisse zu bewerten. Die kaum zu zählenden Einzelausgaben oder kleineren Textsammlungen ihrer Schriften, die – der Bibel vergleichbar – in nahezu allen Ländern und Sprachen in Millionen Exemplaren verbreitet wurden, müssen dabei unberücksichtigt bleiben, obwohl sie einen unverzichtbaren Beitrag zur massenhaften Verbreitung und Rezeption der Gedanken von Marx und Engels und damit zu ihrer Geschichtsmächtigkeit geleistet haben.

So wie die Marx-Engels-Edition bis 1989 verlaufen war, schien sie die allgemeine Auffassung zu bestätigen, es handle sich dabei allein oder zumindest in erster Linie um eine Parteiangelegenheit.[9] Die ursächlich vorhandene, inhaltlich bedingte und auch gewollte Verstrickung der Texte von Marx und Engels in aktuelle soziale und politische Kämpfe, die jedoch im Lauf der Zeit künstlich verabsolutiert wurde, förderte und befestigte die Parteienanbindung der Editionstätigkeit. Nach 1917 traten noch die Auseinandersetzungen zwischen sozialdemokratisch und kommunistisch orientierter Marx-Engels-Edition hinzu, die sich gegenseitig der Nichtveröffentlichung, Entstellung oder einseitigen Auslegung bestimmter Texte bezichtigten.[10] Der stalinistische Terror in der Sowjetunion und die faschistische Herrschaft in Deutschland schließlich stehen für das tragischste Kapitel in der Geschichte der Marx-Engels-Edition.

Und so hat es denn ein reichliches Jahrhundert gedauert, um das literarische Erbe von Marx und Engels aus politischen Interessenkonstellationen herauszulösen und seine Edition in einen akademischen Hafen zu steuern. Marx-Engels-Texte und akademische Edition standen auf verschiedenen Seiten der ‚Barrikade’. Lange war man nicht bereit, eine wissenschaftliche Marx-Engels-Edition als eine unter vielen historisch-kritischen Editionen zu sehen, vergleichbar denen von Hegel oder Luther, Leibniz oder Kant. Noch heute existieren extreme Denkweisen, die entweder Marx-Engels-Texte als reine Ideologie sehen und ihnen jeden Wissenschaftscharakter absprechen, oder aber in sektiererischer Manie ihre wissenschaftliche Edition um jeden Preis an die Fahne irgendeiner Partei heften möchten. So bedurfte es vieler Jahrzehnte und tiefgreifender politisch-gesellschaftlicher Veränderungen, ehe eine auf allgemeinen editionswissenschaftlichen Prinzipien beruhende textkritische Edition des Lebenswerkes von Marx und Engels endlich in Angriff genommen werden konnte.

Die lange Zurückhaltung im neugermanistischen Bereich gegenüber einem solchen Projekt hing offenbar auch mit der Internationalität des Schaffens von Marx und Engels sowie seiner Verbreitung zusammen. Nicht nur sie selbst schrieben in mehreren Sprachen und waren in verschiedenen Ländern tätig. Auch die Edition und Rezeption ihrer Schriften hatte immer internationale Dimensionen. Dazu kam, dass sich die Editionsphilologie erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts auch Autoren aus dem sozialwissenschaftlichen Bereich zuwandten. Die Soziologie und die Politikwissenschaft deutscher Sprache konnten so keine Tradition historisch-kritischer Gesamtausgaben entwickeln. Die MEGA bildet hier die große Ausnahme. Es ist also verständlich, dass bei den editorischen Überlegungen z.B. für die Max-Weber- oder Ferdinand-Tönnies-Ausgabe mehrfach auf die MEGA² Bezug genommen wird.[11]

In dem komplizierten, über lange Zeit retardierenden Verlauf der Marx-Engels-Edition gab es vier wichtige, sie deutlich voranbringende Einschnitte: Erstens das Wirken David Rjazanovs in den 1920er Jahren für die erste Historisch-kritische Gesamtausgabe (im folgenden MEGA1); zweitens das Erscheinen der bislang umfassendsten Ausgaben ihrer Werke in zahlreichen Nationalsprachen im Verlauf der 1950er und 1960er Jahre auf der Grundlage der russischen und deutschen Werkausgabe (Sotschinenija² und MEW); drittens die Ausarbeitung von auf dem aktuellen Stand der Editionsphilologie beruhender Editionsgrundsätze für eine neue, historisch-kritische Gesamtausgabe (MEGA²) Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre und ihr kontinuierliches Erscheinen seit 1975; viertens die völlige Befreiung dieser Ausgabe aus politischen und ideologischen Zwängen im Ergebnis der politischen Wende im Jahre 1989. Alle vier Zäsuren waren unmittelbar verbunden mit einer fortschreitenden Einbeziehung der editionswissenschaftlichen Theorie und Praxis.[12]

Mit den politischen Veränderungen 1989/90 haben Marx und Engels wieder den ihnen zustehenden Platz im Kreis der bedeutenden Wissenschaftler und Publizisten des 19. Jahrhunderts eingenommen. Doch es bleibt unbestreitbar, dass die gesamte philosophische, sozialwissenschaftliche und ökonomische Ideenentwicklung des 20. Jahrhunderts von den Grundzügen ihres Denkens wesentlich beeinflusst wurde.[13] Unabhängig von dieser geschichtsprägenden Rolle von Person, Werk und politischer Wirkung haben sie einen legitimen Ort in der Wissenschaftsgeschichte mehrerer Disziplinen, primär für die politische Ökonomie, aber auch für die Philosophie, Soziologie und Teilbereiche der Geschichtswissenschaft, insbesondere der Geschichtstheorie und der Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Der für Marx’ Theorie charakteristische fachübergreifende Zusammenhang von Politik, Wirtschaft, Staat, Gesellschaft und Geschichte hat weiterführende Gesichtspunkte erschlossen und kann auch in einem zukünftigen Ringen für eine sozial gerechte Gesellschaft wirksam werden. Die historisch-kritische Edition des literarischen Nachlasses lehrt zu unterscheiden zwischen Marx und dem Marxismus, vor allem in Form des Marxismus-Leninismus. Denn die Gestalt, in der die Ideen von Marx und Engels geschichtlich wirkten, hatte oftmals mit ihrem originären Gedankengut wenig gemein oder stand gar in Widerspruch zu ihm. Der ursprünglich hohe Grad an Wissenschaftssättigung ihres Schaffens war zunehmend zurückgedrängt worden.
Nunmehr ist Marx’ und Engels’ Wirkungsgeschichte unter den Auspizien des ‚Marxismus-Leninismus’ zu ihrem Ende gekommen; sie sind aus den politischen Diensten entlassen. Die in Marx’ Selbstverständnis zutiefst widerwärtige Rolle des ‚Diskurs-Polizisten‘ der seinen Namen tragenden Ideologie ist ausgespielt und damit der unverstellte Blick auf das kritischen Lebenswerk der beiden Denker freigemacht, eingebettet in den Kontext seiner Entstehungszeit und aufgehoben für die heutigen und nächsten Generationen in einer historisch-kritischen Edition.[14]

 

II. Überblick über die historische Abfolge der Marx-Engels-Editionen

 

Historisch wie die Werke selbst sind auch die Editionen
und so verändern sich die Editionen auf Grund ihrer
historischen Möglichkeiten und Bedingungen. Dieser
Historizität einer jeden Edition bewusst zu sein, setzt aber
voraus, die Geschichte der Editionsphilologie zu kennen.[15]

1. Die Periode von 1850 bis 1917

Während Herausgeber dichterischer Gesamtwerke häufig vor der Schwierigkeit stehen, mehrere vom Autor selbst veranstaltete und sich unterscheidende Werksammlungen berücksichtigen zu müssen, liegen bei Marx und Engels keine solche auf ihren Vorstellungen beruhenden Ausgaben vor. Das Fehlen dieser Überlieferungskomponente versagte späteren Editoren einerseits die Gestaltung einer umfassenden Nachlassausgabe nach den Intentionen der Autoren, andererseits konnten sie ‚ungeniert’ ihre eigenen Vorstellungen verwirklichen.

Allerdings gab es schon zu Lebzeiten von Marx und Engels Versuche, ihre weit verstreuten und häufig schwer verifizierbaren Schriften in gesammelter Form herauszugeben. Aber sie scheiterten letztlich alle an den zeitgenössischen politischen Bedingungen, am Fehlen von mutigen Verlegern und finanziellen Mitteln oder auch an mangelnder Zeit und Kraft der Autoren selbst, sich einer solchen Aufgabe widmen zu können.

Marx selbst begann unmittelbar nach der Revolution von 1848 damit, eine zweibändige Ausgabe seiner Gesammelten Aufsätze vorzubereiten, die Hermann Becker in Köln besorgen wollte.[16] Das Vorhaben musste jedoch schon nach Erscheinen der ersten Lieferung infolge der Verhaftung des Verlegers eingestellt werden. Auch in den 1860er und 1870er Jahren scheiterten verschiedene Pläne von Marx und Engels, ihre „vermischten Aufsätze“ gesammelt herauszugeben. So blieben z.B. die Verhandlungen mit dem Hamburger Verleger Otto Meißner „wegen einer Gesamtausgabe früherer Sachen“ ohne Ergebnis.[17]

Nachlassgeschichte 1

Als Marx am 18. März 1883 verstarb, hatte er keine eindeutigen Verfügungen bezüglich seiner literarischen Hinterlassenschaft fixiert. Seine natürlichen Erben waren seine beiden Töchter Laura Lafargue, die in der Nähe von Paris lebte, und Eleanor Marx in London. Engels schrieb an Laura Lafargue einige Monate nach Marx‘ Tod, dass dieser verfügt habe, dass Eleanor und er „über all seine Schriftstücke verfügen und das veröffentlichen [sollen], was veröffentlicht werden muß“ (24. Juni 1883, MEW 36, 42). Engels sah den Marx’schen Nachlass gemeinsam mit der Haushälterin Helena Demuth durch. Besonders dringlich war es ihm, die Manuskripte für die Fortsetzung des Kapitals, dessen erster Band schon für eine dritte Auflage vorbereitet werden musste (1883), zu finden. Denn wie Engels an Lavrov schrieb, hatte Marx „stets den Stand seiner Arbeiten verheimlicht“ (2. April 1883, MEW 36, 3). So war er heilfroh, als er im Nachlass seines Freundes die Manuskripte für den zweiten und dritten Band dieses Werkes fand. Erleichtert rief er aus: „Heute fand Nim [Helena Demuth] unter Mohrs Manuskripten ein großes Paket, das den größten Teil, wenn nicht den ganzen zweiten Band vom ‚Kapital’ enthielt – über 500 Folio-Seiten.“ (An Laura Lafargue, 25. März 1883, MEW 35, 465.) Gegenüber Lavrov sprach er von „1000 Seiten in Folio“. Damit war ihm klar geworden, dass er die fehlenden zwei Bände des Kapitals aus diesem umfangreichen Konvolut zusammenstellen konnte; sie erschienen 1885 und 1894.

Alles handschriftliche Material wurde in Engels‘ Wohnung gebracht. Anders verhielt es sich mit den Briefen. Selbstverständlich behielt Engels die von ihm mit Marx gewechselten Schreiben, außerdem jene, die Marx mit Freunden und Kampfgefährten weltweit gewechselt hatte. Er selbst bat einige der bekannten Freunde und Briefpartner von Marx, dass sie die von ihm verfassten Briefe zurücksenden mögen. Alle Familienbriefe jedoch übergab er nach Durchsicht an die beiden Marx Töchter. Dabei und auch später wurden Briefe ganz besonderer privater Natur ausgesondert und vernichtet. Daher ist der Briefwechsel nur selektiv überliefert.

Als Marx starb war Engels nicht in der Lage, die gesamte Büchersammlung des Freundes zu übernehmen. Im Einvernehmen mit Tussy nahm er eine Auflösung der Bibliothek vor. (Engels an Laura Lafargue, 5. Februar 1884, MEW 36, 101/102). Danach wurden Bücher für Paul Lafargue übersandt, die russischsprachigen gingen an Pjotr Lavrov (später zur Parteibibliothek der russischen Sozialrevolutionäre gehörig und 1939 mit den Sammlungen von M. R. Goc und E. E. Lazarev an das Internationale Institut für Sozialgeschichte (IISG) in Amsterdam verkauft), Duplikate wurde an das Parteiarchiv der deutschen Sozialdemokratie nach Zürich verschickt und viele so genannte populäre Bücher wurden dem Londoner Arbeiterbildungsverein übergeben. Natürlich behielt Engels all jene Bücher, die für die geplante Herausgabe des zweiten und dritten Bandes des Kapitals notwendig waren.

Engels hatte sich auf seinen eigenen Tod selbstverständlich besser vorbereitet. Als er am 5. August 1895 verstarb, lagen folgende testamentarische Verfügungen vor: ein Testament vom 29. Juli 1893, eine Verfügung an seine Testamentsvollstrecker vom 14. November 1894 und ein Testamentsnachtrag vom 26. Juli 1895 (MEW 39, 505–511). Der Inhalt ist hier nur so weit interessant, als es um die Verfügungen bezüglich des literarischen Nachlasses geht. Die Festlegungen waren eindeutig: Alle Manuskripte literarischer Natur und alle von Marx geschriebenen oder an ihn gerichteten Familienbriefe sollten an Eleanor Marx-Aveling übergeben werden. Alle Bücher sollten an August Bebel und Paul Singer als die Vertreter der deutschen Sozialdemokratie gehen, alle weiteren im Haus befindlichen Manuskripte und Briefe (außer den erwähnten) sollten an August Bebel und Eduard Bernstein übergeben werden. In seiner Verfügung präzisierte Engels, dass Briefe seiner Familienangehörigen und von Marx‘ Töchtern an diese zurückzugeben seien. Im Testamentsnachtrag widerrief Engels die Bestimmung bezüglich der Marx’schen Familienbriefe und erweiterte sie auf alle Briefe, die Marx geschrieben bzw. erhalten hatte, mit Ausnahme der Engels’schen, die an die jeweiligen Briefschreiber zurückgegeben werden sollten.

Nach Marx’ Tod unterbreitete Wilhelm Liebknecht 1883 den Plan „einer Gesamtausgabe der Marx’schen Schriften“, der jedoch nur ansatzweise im Rahmen der Sozialdemokratischen Bibliothek, der ersten Reihenpublikation sozialistischer Schriften in Einzelausgaben, umgesetzt werden konnte. Engels selbst verfolgte ebenfalls den Plan, „Marx und meine kleineren Sachen in einer Gesamtausgabe wieder vor das Publikum zu bringen“[18], konnte sich jedoch erst 1894 nach Abschluss seiner mehr als zehnjährigen Arbeit an der Herausgabe des unvollendet gebliebenen zweiten (1885) und dritten (1894) Bandes des Kapitals dieser Aufgabe zuwenden. Zur Unterstützung zog er für die Entzifferung der Marx’schen Manuskripte, die nach dessen Tod fast vollständig an ihn gegangen waren, Karl Kautsky und für Materialrecherchen Franz Mehring heran. Über seine Vorstellungen zur editorischen Gestaltung einer solchen Ausgabe äußerte sich Engels in einer Reihe von Briefen: Sie solle möglichst alle Schriften von Marx in chronologischer Folge in sich vereinigen, die Texte in ihrer historischen Gestalt ohne Kürzungen und Abänderungen, jedoch auf Textfehler durchgesehen darbieten und das Verständnis der Texte und ihrer historischen Entstehungsumstände durch Vorworte und erläuternde Fußnoten erleichtern.[19] Engels’ Tod 1895 ließ dieses Vorhaben jedoch nicht über erste Vorbereitungen hinausgelangen.

Einen ersten konkreten Schritt auf dem Wege zu der von Engels anvisierten Gesamtausgabe bildet die von Franz Mehring im Auftrag des Parteivorstandes der SDP besorgte und 1902 bei Dietz veröffentlichte vierbändige Sammlung von Marx-Engels-Schriften aus den 1840er Jahren.[20] Die Ausgabe veröffentlichte erstmalig wieder viele weitgehend unbekannte, weil sehr verstreute bzw. anonym erschienene Arbeiten aus dem ersten Jahrzehnt der öffentlichen Wirksamkeit der beiden Autoren und setzte vor allem durch ihre textgeschichtlichen Kommentare neue Maßstäbe für den weiteren Gang der Marx-Engels-Forschung und -Edition. Mehring hatte sich als erster der Aufgabe gestellt, die historisch-biographische Situation, die geistige Entwicklung des jungen Marx bzw. Engels und den damit verbundenen realen Entstehungsprozess ihrer Schriften darzustellen. Allerdings beschränkte sich die Ausgabe auf die publizierten Arbeiten, der bedeutende Anteil ungedruckter nachgelassener Handschriften blieb mit einer Ausnahme – der Marx’schen Dissertation[21] – jedoch unberücksichtigt. Mehring wählte ohne bestimmte Kriterien unter den publizierten Texten aus, kürzte einige Arbeiten und verzichtete auch darauf, bereits durch andere Ausgaben verfügbare Schriften einzubeziehen. Andererseits konnten angesichts der noch ungenügenden Forschungs- und Quellenlage manche Arbeiten nicht ermittelt werden bzw. es fanden auch einige Texte Aufnahme, die nicht von den beiden Autoren stammten. Die textkritische Arbeit an den aufgenommenen Stücken blieb wesentlich auf die Korrektur erkannter Druckfehler beschränkt. Auch die Zusammenführung mit den Werken von Ferdinand Lassalle in einer Ausgabe, aus politischen Erwägungen gewollt, erweist sich unter editorischen Gesichtspunkten als unbegründet.

Während diese Ausgabe sich also fast ausschließlich auf in den 1840er Jahren publizierte Werke beschränkte, eröffnete Karl Kautsky 1905–1910 mit seiner dreibändigen Ausgabe der Marx’schen Theorien über den Mehrwert, mit deren Entzifferung er noch unter Engels’ Anleitung begonnen hatte, im größeren Maße die Edition des umfangreichen handschriftlichen Nachlasses.[22] Diese von Engels selbst als vierter Band des Kapitals bezeichneten Texte waren dem umfangreichen ökonomischen Manuskript von 1861–1863 entnommen. Kautsky veränderte die Anordnung des Materials, gliederte den Text in Kapitel bzw. Unterpunkte und verzichtete auf den Nachweis von Auslassungen. Ganz im Anspruch einer Volksausgabe führte er ein eigenes Hervorhebungssystem ein und übersetzte fremdsprachige Zitate und Fremdwörter. Diese drei Bände markieren einen mutigen und gelungenen Schritt in editorisches Neuland. [23]

Der damit eingeschlagene Weg wurde 1913 fortgesetzt mit der vierbändigen Ausgabe des Briefwechsels zwischen Marx und Engels, herausgegeben von August Bebel und Eduard Bernstein.[24] Diese Edition war vor und nach ihrer Publikation von heftigen Auseinandersetzungen begleitet. Entgegen Bernsteins ursprünglichen Vorstellungen wurde schließlich festgelegt, die Briefe nur in einer redigierten, zum Teil auch gekürzten Form zu publizieren und manche von ihnen ganz wegzulassen, ohne die Kriterien dafür öffentlich zu machen. Darin enthaltene herabsetzende Äußerungen über führende Persönlichkeiten der deutschen Sozialdemokratie seien „zu unangenehm“ und Bebel, Kautsky, Mehring u.a. befürchteten, dass ein vollständiger Abdruck dem Andenken dieser Personen, die sie zumeist noch persönlich gekannt hatten, sowie der Briefautoren abträglich sein und der Partei politisch schaden könnten.[25] Bereits hier offenbarte sich eine Rücksichtnahme auf politisch-ideologische Interessen, die der Marx-Engels-Edition auch fortan steter Begleiter sein sollte.

Die von Mehring begonnene Werksammlung konnte 1917 durch zwei Bände der Gesammelten Schriften von Marx und Engels aus den 1850er Jahren fortgesetzt werden. Herausgeber war David Rjazanov, der seit 1907 als russischer Emigrant in Deutschland, Österreich und in der Schweiz lebte und sich in seiner Forschungs- und Publikationstätigkeit zunehmend auf das Gebiet der Marx-Engels-Forschung und -Edition konzentrierte. Hierdurch kam er in engen Kontakt zur deutschen Sozialdemokratie, die in ihrem Berliner Archiv den Hauptteil des Marx-Engels-Nachlasses bewahrte. Allerdings war eine so intensive, sich an akademischen Standards orientierende Forschungsarbeit, wie sie Rjazanov betrieb, für die Partei ein Novum. Sie kam ihm jedoch auch hierbei hilfreich entgegen. So hatte er Gelegenheit, sich ab 1909 intensiv mit dem Marx-Engels-Nachlass vertraut zu machen, und er hielt es nunmehr grundsätzlich für möglich, hohen wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Editionen der Werke von Marx und Engelsherauszubringen und letztlich auch eine Gesamtausgabe zu realisieren.[26]

Nachlassgeschichte 2

Wie bereits erwähnt, nahm 1895 ein Teil des literarischen Nachlasses von Marx und Engels – nämlich die nachgelassene Bibliothek – den direkten Weg in das Berliner Parteibüro der deutschen Sozialdemokratie. Ende Oktober trafen 27 Kisten, adressiert an die beiden Parteivorsitzenden, ein. Allerdings war das Parteibüro noch sehr provisorisch eingerichtet und der Platz in den Räumen unzureichend. Daher war der Parteivorstand froh, als er seinen gesamten Bibliotheksbestand von ca. 4.000 Büchern an eine öffentliche Bibliothek geben konnte, wo er separat aufbewahrt werden sollte. Erst 1901 wurde ein erster umfassender Katalog erarbeitet, der etwa 8.000 Titel umfasste (die Bücher ex libris Marx und Engels wurden dabei eingeordnet).

Aber wie verhielt es sich mit dem handschriftlichen Nachlass? Wie bereits erwähnt, wurde er entsprechend der Verfügung von Engels an Laura Lafargue gesandt. Allerdings nicht vollständig. Zu den drei Testamentsvollstreckern gehörte Eduard Bernstein, der zu jener Zeit in London wohnte. Er hat sehr genau den Nachlass durchgesehen und sicher auch dieses oder jenes für die spätere Veröffentlichung bei sich aufbewahrt. Außerdem hatten August Bebel, Franz Mehring und Karl Kautsky Zugriff auf den literarischen Nachlass. Das war zunächst der Kreis der Sozialdemokratien, die sich um eine Werkausgabe kümmern sollten.

Eine wichtige Rolle in der Überlieferungsgeschichte des Marx-Engels-Nachlass sollte der Russe David Rjazanov spielen. Er hatte 1910 die Gelegenheit bei den Lafargues in Paris „alle Papiere durchzusehen und einen Inventar aufzustellen“. Er sammelte nicht nur die Briefe von Marx an Daniel’son zusammen, sondern auch einige Briefe von Marx an seine Frau und Töchter, die „einen interessanten Beitrag zur Biographie Marx’s insbesondere in den Jahren 1881 und 1882 bilden“. Darüber berichtete Rjazanov an Karl Kautsky. Paul und Laura Lafargue nahmen sich im November 1911 das Leben. Rjazanov wurde vom SPD-Parteivorstand beauftragt, den Marx-Engels-Nachlass aus Draveil bei Paris abzuholen und nach Berlin zu bringen.

Somit befand sich zu Beginn der 1920er Jahre der Hauptteil des Marx-Engels-Nachlass im Berliner Parteiarchiv. Natürlich besaß der älteste Sohn von Marx‘ Tochter Jenny und ihrem Mann Charles Longuet Jean einen Teil des persönlichen Nachlasses (Lafargues Kinder waren noch zu ihren Lebzeiten verstorben).

Zum Jahreswechsel 1910/1911 fand in Wien eine Zusammenkunft, deren Teilnehmer – Max Adler, Otto Bauer, Adolf Braun, Gustav Eckstein, Rudolf Hilferding, Karl Renner und David Rjazanov (Goldendach) – zu dem Schluss gelangten, dass nach dem Freiwerden der Rechte an den Marx’schen Schriften durch Erlöschen des Urheberschutzes im Jahre 1913 der deutschen Sozialdemokratie die Aufgabe erstünde, „eine allen wissenschaftlichen Anforderungen entsprechende, absolut vollkommene, systematisch geordnete, mit den Manuskripten und den verschiedenen Ausgaben der Marx’schen Schriften verglichene, mit Einleitung und umfangreichen Registern versehene Gesamtausgabe der Werke von Marx zu veranstalten.“ Erwägenswert schien den Beteiligten auch, „ob nicht die Werke von Marx und Engels gemeinsam herausgegeben werden sollten“, zumal bei einem Teil derselben „Zweifel obwalten, ob Marx, Engels oder beide als Verfasser zu betrachten sind“.[27] Sowohl diese Überlegung als auch die skizzierten Editionsgrundsätze trugen eindeutig die Handschrift Rjazanovs. Dieser Vorstoß fand allerdings beim Parteivorstand der SPD nur geringes Echo: Die Partei verfüge dafür über zu geringe Mittel und ausgebildete Kräfte. Auch war es damals (und noch lange danach) nicht vorstellbar, eine akademische Institution könne sich mit einer Marx-Engels-Gesamtausgabe befassen, d.h. den naturgemäß mit anderen Dingen befassten Arbeiterparteien diese Verantwortung abnehmen und ihr womöglich besser als diese gerecht werden.

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges, die damit einhergehende Verschärfung der Zensur und das „Darniederliegen des Geschäfts“ veranlassten den Verleger Dietz, zunächst die vorwiegend in englischer Sprache verfasste Publizistik von Marx und Engels aus den 1850er Jahren, deren thematischer Schwerpunkt – Europa während des Krimkrieges – gerade wieder aktuell geworden war, schnell in deutscher Übersetzung herauszubringen. Rjazanov machte sich sofort an die Arbeit, wobei er feststellen musste, dass noch „eine Unmasse Detailarbeit“ nötig war, „die unser Freund Mehring so stark verachtet und die doch unentbehrlich ist“. So konnte er erst 1916 die Arbeit an den ersten zwei Bänden der Gesammelten Schriften, die den Zeitraum von 1852 bis 1856 umfassten, abschließen. „Die Bände sind wirklich sehr stattlich“, schrieb Rjazanov im Januar 1917. „Mich befriedigen sie aber bei weitem nicht. Der erste Band ist besser, der zweite trägt alle Spuren der sinnlosen Hetze [...]. Als Vorarbeit für die jetzt noch dringender werdende Gesamtausgabe passen sie leidlich.“ Die bereits in Vorbereitung befindlichen weiteren zwei Bänden für die Zeit von 1857 bis 1862 konnten auf Grund der sich überstürzenden Ereignisse nicht mehr erscheinen. Die Oktoberrevolution in Russland bewog Rjazanov, umgehend in seine Heimat zurückzukehren. So konnten die Bände 3 und 4 der Gesammelten Schriften nicht mehr fertig gestellt werden.[28]

Rjazanov hatte sich in diesen Jahren als anerkannte Autorität auf dem Gebiet der Marx-Engels-Forschung und -Edition, als „eines der bedeutendsten Talente der Marxistengeneration nach uns“ (Karl Kautsky) profiliert, wobei er sich gleichzeitig einen Ruf als „Archivratte, Buchstabenklauberer und Bookworm“ erworben hatte. Dieser editorische Perfektionismus Rjazanovs führte allerdings auch zu längeren Verzögerungen, die den Verleger Dietz des Öfteren zur Verzweiflung trieben. Kautsky erkannte jedoch an: „Er geht ja doch in dem Kleinkram nicht auf und verliert nie die großen Gesichtspunkte aus den Augen.“ [29] Seine herausragenden Fähigkeiten wie seine individuellen Schwächen begleiteten Rjazanov nun ins revolutionäre Russland.

Alle genannten Veröffentlichungen bis 1917, so gewichtige Schritte sie auch darstellten, machten zusammengenommen nur einen geringen Bruchteil des literarischen Erbes von Marx und Engels zugänglich.[30] Vor allem lagen noch mehr als tausend Seiten des handschriftlichen Nachlasses ungesichtet im SPD-Archiv bzw. in Bernsteins Wohnung. Die bis dahin erschienenen Publikationen folgten der im pragmatisch orientierten Verlagsprogramm der SPD entwickelten, für einen größeren Nutzerkreis gedachten Editionsform einer soliden Leseausgabe, ohne Anspruch auf eigenständige Textkonstitution, obwohl man einige auch als Versuch einer Kombination von Lese- und Studienausgabe klassifizieren könnte.

2. Die Periode von 1917 bis 1945

 

Nachlassgeschichte 3

Nach der Oktoberrevolution 1917, in deren Ergebnis nach Lenins Tod der Marxismus in seiner ‚Weiterentwicklung’ zum Marxismus-Leninismus in der Sowjetunion zur herrschenden Ideologie wurde, sowie nach den revolutionären Ereignissen in anderen Ländern wuchs deutlich das Interesse am Werk von Marx und Engels. Ihre hauptsächlichen Schriften wurden in immer neuen Ausgaben mit hohen Auflagen publiziert. Auch Rjazanov stürzte sich mit Feuereifer in die weitere wissenschaftliche Erforschung und vielfältige Verbreitung des Lebenswerkes von Marx und Engels. Nachdem er 1921 zum Direktor des neugegründeten Marx-Engels-Instituts berufen worden war, setzte er, dabei weitgehend durch die Sowjetregierung und Lenin persönlich unterstützt, eine umfassende Beschaffung aller mit der internationalen sozialistischen Bewegung und dem Leben und Schaffen von Marx und Engels zusammenhängender Materialien in Gang, in deren Ergebnis 15.000 Originaldokumente und 175.000 Kopien zusammengetragen und die bis dahin umfangreichste Bibliothek zur Geschichte des Sozialismus aufgebaut werden konnten. Zugleich scharte Rjazanov einen Kreis kompetenter Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern um sich und schuf ein weit verzweigtes internationales Korrespondentennetz. Zunächst hatte er eine umfangreiche Werkausgabe in russischer Sprache im Blick, entschloss sich aber bald, zugleich eine wissenschaftliche Gesamtausgabe in den Originalsprachen in Angriff zu nehmen. Der XIII. Parteitag der KPdSU(B) und auch der V. Weltkongress der Kommunistischen Internationale billigten dieses Projekt, das eine “mustergültige Edition“ liefern sollte.[31] Wichtige Voraussetzungen für die Realisierung dieses Vorhabens waren Rjazanovs Verbindungen zum SPD-Vorstand, der die Erlaubnis erteilte, den handschriftlichen Nachlass von Marx und Engels im Parteiarchiv zu fotografieren, sowie die Vereinbarungen des Marx-Engels-Instituts mit dem Institut für Sozialforschung in Frankfurt a.M. und die Gründung der Marx-Engels-Verlags-Gesellschaft in Frankfurt, des späteren Marx-Engels-Verlags mit Sitz in Berlin.[32]

Darüber hinaus richtete Rjazanov ein Netz von internationalen Korrespondenten ein. So sammelten in Köln und Trier, in Paris, Brüssel und London sachkundige Personen Dokumente und Materialien der internationalen Arbeiterbewegung. Ihnen gelang es, in den Archiven und Bibliotheken eine große Anzahl dieser Materialien zu erwerben oder zu fotokopieren. Weiterhin wurden Buch- und Autographenauktionen genutzt, um weiteres Material aufzukaufen. Außerdem waren während der Superinflation Anfang der 1920er Jahre einige Sammler von Sozialistica gezwungen, ihre Sammlungen gegen Goldrubel zu verkaufen, so u.a. auch Carl Grünberg. So konnte Rjazanov den Grundstock einer großen und einzigartigen Bibliothek in Moskau schaffen.

Auf diesen materiellen, personellen und organisatorischen Grundlagen konnte Rjazanov beginnen, seinen lang gehegten Plan einer historisch-kritischen Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA) zu realisieren: „Ein allseitiges wissenschaftliches Studium ihrer theoretischen und praktischen Lebensarbeit wird erst möglich sein, wenn ihre gesamte geistige Hinterlassenschaft in einer kritischen Gesamtausgabe reproduziert und zusammengefasst vorliegen wird“, begründete er das angestrebte Ziel.[33]

Die erste MEGA, obwohl ein Torso geblieben, leitete eine neue Etappe in der Geschichte der Marx-Engels-Forschung und -Edition ein. Sie begründete für die literarische Hinterlassenschaft der beiden Autoren die Tradition historisch-philologischer Edition. Die MEGA1 war die erste akademische Ausgabe speziell für wissenschaftliche Forschungszwecke, die von marxistischen Wissenschaftlern veranstaltet wurde.

Mitte der 1920er Jahre, als die Arbeit an der MEGA1 aufgenommen wurde, befand sich die Editionsphilologie in einer Legitimations- und Methodologiekrise. Die bis dahin vorherrschende Übertragung altphilologischer Editionsverfahren auf Werke der neueren deutschen Literatur stieß an ihre Grenzen, es galt, neue Methoden und Ziele zu entwickeln. Nach ahistorischen und akzentlosen positivistischen Editionen machten sich irrationale und mystische Auffassungen von einem unabhängigen geistigen Schaffensprozess des Autors bemerkbar. Den MEGA1-Editoren gelang es jedoch, aus dieser Vielfalt widersprüchlichen Herangehens in der zeitgenössischen Editionsphilologie fruchtbare Ansätze aufzugreifen und zugleich Irrwege zu vermeiden.[34] Damit gebührt ihnen das Verdienst, zugleich einen beachtenswerten Beitrag zur Herausbildung einer modernen Editionswissenschaft überhaupt geleistet zu haben.

So wurde in dieser Ausgabe das Prinzip der Vollständigkeit (so durch die erstmalige Einbeziehung des gesamten handschriftlichen Nachlasses) entsprechend dem damaligen Kenntnisstand der Überlieferung konsequent umgesetzt; die Grundsätze getreuer Textwiedergabe (Originalwortlaut, Originalsprachigkeit, keine Kontaminationen) und kritischer Musterung der Texte (Beseitigung von Korruptelen) gewissenhaft beachtet; die Betrachtung und Darstellung des Textentstehungsprozesses (durch die erstmalige Darbietung von belangvollen Textvarianten) wesentlich vorangebracht und Probleme der Autorschaft (die Kategorie „Dubiosa“ fand erstmals Eingang in die Marx-Engels-Edition), der Autorisation und Authentizität[35] sorgfältig geprüft. Auch bei der erstmaligen Entzifferung von komplizierten Handschriften wurde Außerordentliches geleistet.[36] Der Apparat der Bände wurde in anerkennenswerter Weise von ideologisch bedingten Einengungen freigehalten. In dem Bestreben, der Ausgabe konsequent den Charakter einer für Forschungszwecke bestimmten Ausgabe zu verleihen, sind nur textkritische und bibliographische Anmerkungen beigegeben. „Erläuternde, kommentierende, deutende Anmerkungen dürfen nicht gebracht werden“, bekräftigte eine Instruktion von 1932.[37] Und so sprachen bei ihrem Erscheinen zwar eine Reihe namhafter Philologen von einem „Musterwerk historisch-philologischer Editionstätigkeit“ und von „bewundernswerter Akribie und Gründlichkeit“[38], seitens der offiziellen Editionsphilologie allerdings wurde die Editionstätigkeit lange Zeit kaum einer Erwähnung für würdig befunden.

Nach einigen Verzögerungen erschien der Band I/1 (1. Teil 1927, 2. Teil 1929) der MEGA1 in Frankfurt a.M. Bis 1931 wurden weitere 4 Bände (Briefwechsel) herausgebracht. Das Erscheinen einer solchen Edition musste fast wie ein Wunder anmuten, weil sie sich, trotz ihrer Bindung an die herrschende Partei, keineswegs aus den gegebenen politisch-ideologischen Rahmenbedingungen herleitete. Rjazanovs Bestreben, sich und dem Institut eine gewisse Selbständigkeit zu bewahren, führte zwangsläufig zu Konflikten und schließlich 1931 auf Weisung Stalins zur Verhaftung Rjazanovs und zu einer umfassenden ‚politischen Säuberung’ des Instituts.[39] Vladimir Adoratskij, der zum neuen Direktor des nunmehrigen Marx-Engels-Lenin-Instituts ernannt worden war, versuchte zunächst, die MEGA1 durch Anpassung der Vorworte an die doktrinäre politische Linie weiterzuführen. Die Verlagsgenossenschaft ausländischer Arbeiter in der UdSSR konnte bis 1935 in Moskau/Leningrad noch sechs Bände herausbringen, wobei der letzte – mit dem Anti-Dühring und der Erstveröffentlichung der Dialektik der Natur – bereits ohne Bandzahl (ursprünglich geplant als Band I/15), getarnt als „Sonderausgabe zum 40. Todestag von Friedrich Engels“, erschien.[40]

In den publizierten Bänden der MEGA1 sind selbstverständlich auch eine Reihe Schwachpunkte erkennbar. Rjazanovs Neigung, seine Projekte nicht ausreichend vorzubereiten, sondern umgehend zu beginnen, wobei er den erforderlichen Zeitaufwand und die möglichen Schwierigkeiten meist unterschätzte, hinterließ auch in der editorischen Gestaltung ihre Spuren. Da nicht rechtzeitig detaillierte Editionsrichtlinien erarbeitet worden waren, gab es kein festes, verbindliches System für die Zuordnung des Materials auf die verschiedenen Abteilungen der Ausgabe, für den Aufbau und die innere Gliederung der einzelnen Bände, insbesondere ihres wissenschaftlichen Apparats. So befinden sich bestimmte Informationen an den unterschiedlichsten Stellen und in verschiedenen Darbietungsformen, die Texte weisen Unterschiede beim Grad der Modernisierung bzw. Normierung der Orthographie und Interpunktion auf, es wurde von einer strengen chronologischen Anordnung zugunsten einer Kombination von Chronologie nach inhaltlich-logischen Gesichtspunkten abgewichen, ein Nachweis redaktioneller Eingriffe in den Autortext nur auf inhaltlich relevante Fälle beschränkt. Auch hinsichtlich der Frage, ob und in welchem Umfange Textvarianten wiederzugeben seien und welche Kriterien ihrer Auswahl zugrunde zu legen sind, gab es kein einheitliches Herangehen. Besonders unzufrieden zeigten sich Bearbeiter, Rezensenten und Nutzer gleichermaßen darüber, dass die umfangreichen Exzerpte von Marx und Engels nur im Anhang der I. Abteilung lediglich genannt und formal beschrieben, jedoch nicht oder nur vereinzelt in kurzen Auszügen abgedruckt wurden.[41] Dies biete dem Leser „weder ein wirkliches Bild der Exzerpte, noch zeigt sie ihm die Marxsche Arbeitsmethode oder erleichtert sie ihm das Studium des betreffenden Bandes“.[42] Vorschläge der Mitarbeiter, für die Exzerpte eine neue, vierte Abteilung im Umfang von 25 Bänden einzurichten, konnten angesichts des Stalin‘schen Verdikts nicht mehr umgesetzt werden, bargen jedoch eine wichtige Anregung für die spätere Konzipierung einer zweiten MEGA.

Zweifellos entsprechen die Bände der ersten MEGA nicht mehr den seitdem erreichten Standards neugermanischer historisch-kritischer Ausgaben. Bei ihrem Erscheinen jedoch standen sie auf der Höhe der Zeit und vermochten neue Akzente in der Theorie und Praxis wissenschaftlicher Editionen zu setzen. Inzwischen zur Rarität geworden, blieben sie bis zum Erscheinen von MEGA² eine viel und gern benutzte Text- und Forschungsgrundlage. Davon zeugt auch die 1970 in der BRD veranstaltete und rasch vergriffene Reprint-Ausgabe aller zwölf erschienenen Bände.[43]

Der XIII. Parteitag der KPdSU(B) hatte 1924 auch die Herausgabe einer Marx-Engels-Werkausgabe in russischer Sprache (Sočinenija) beschlossen. Sie begann 1928 zu erscheinen, wurde auch nach Einstellung der MEGA fortgeführt und – unterbrochen durch den Zweiten Weltkrieg – mit 28 Bänden (Band 20 ist nicht erschienen) in 33 Büchern 1947 abgeschlossen. Insgesamt sind in der Ausgabe 1.247 Werke, Schriften und Aufsätze sowie 3.298 Briefe von Marx und Engels enthalten. Damit war sie zu jener Zeit die erste umfassende Werkausgabe. Sie gliederte sich, ähnlich wie die MEGA, in drei Abteilungen (Werke, Das Kapital, Briefe). Editionsgeschichtlich wichtig ist, dass sie erstmals alle bis dahin entdeckten Briefe von Marx und Engels vollständig wiedergab, mehr als 600 davon zum ersten Mal.

Deutschsprachige Editionen des Moskauer Instituts beschränkten sich nach Einstellung der MEGA auf Einzel- und Auswahlausgaben. Von den geplanten neunbändigen Ausgewählten Schriften (Volksausgabe) erschienen von 1933–1935 die drei Bände des Kapitals, der Briefwechsel Marx-Engels in vier Bänden sowie drei Einzelschriften. In den neuen Vorworten wurde vor allem die Auseinandersetzung mit der Sozialdemokratie und anderen ‚Verfälschern’ des Marxismus geführt. Dies wird vor allem an der Kapital-Edition deutlich. Sie stellte eine heftige Reaktion auf die von Karl und Benedikt Kautsky 1926 bzw. 1929 besorgte Volksausgabe des 2. und 3. Bandes des Marx’schen Hauptwerkes dar, nachdem diese 30 Jahre nach dem Tode ihres Herausgebers Friedrich Engels frei geworden waren.[44] Kautsky wollte „nicht bloß eine Volksausgabe herstellen, sondern zugleich den wissenschaftlichen Leserkreis bedienen“, versuchte also – im Gegensatz zu stark gekürzten und vereinfachten Texten populärer Leseausgaben dieser Zeit – einen Spagat zwischen originalgetreuer Reproduktion des Textes und seiner volkstümlichen Aufbereitung. Es verbanden sich sorgfältige Wiedergabe des Autortextes mit dessen parteilicher Beanspruchung und Interpretation durch den Herausgeber, ein Grundzug nahezu aller Marx-Engels-Editionen über fast ein ganzes Jahrhundert.[45]

Die Edition der drei Kapital-Bände 1932/33 durch das Moskauer Marx-Engels-Lenin-Institut zeitigte beachtliche Textverbesserungen, in der Kommentierung jedoch wurde, nachdem der auf ein Minimum an Ausgleich bedachte Einfluss Rjazanovs beseitigt war, vehement gegen den „Renegaten“ und „Fälscher“ Kautsky zu Felde gezogen und zugleich die Kontinuität und Einheit von Marx, Engels und Lenin proklamiert. Auch gegen die 1932 von Kröner-Verlag besorgte und von Siegfried Landshut mit einer vorzüglichen Einleitung versehenen Ausgabe der Marx’schen Frühschriften wurde als den „Marxismus sozialfaschistisch entstellend“ zu Felde gezogen.[46] Polemische Ausfälle dieser Art finden sich auch im Vorwort zu der 1933 veranstalteten, auf den gesicherten Texten der entsprechenden Bände der MEGA1 aufbauenden Originalausgabe des Briefwechsels von Marx und Engels. Auf diese Weise wurde das absolute Wahrheits- und Editionsmonopol der kommunistischen Partei kundgetan. Die wissenschaftliche Theorie und Methode von Marx wurde mehr und mehr in ein staatsoffizielles, geschlossenes „marxistisch-leninistisches“ philosophisches System und eine universalgeschichtliche Legitimationstheorie verkehrt und in diesem Sinne weitgehend missverstanden.

Angesichts der nationalsozialistischen Machtergreifung blieb die Moskauer Kapital-Ausgabe, die aus editorischer Sicht ebenso wie die Kautsky-Ausgabe über jene Merkmale hinausging, die die zeitgenössische neugermanistische Editionsphilologie einer „erläuternden Volksausgabe“ zuwies, im deutschsprachigen Raum ohne nennenswerte Rezeptionschance.[47]

Die Errichtung der Hitlerdiktatur machte Druck und Verbreitung von Marx-Engels-Schriften in Deutschland unmöglich. Sie landeten, darunter auch die Bände der MEGA1, im Mai 1933 auf dem Scheiterhaufen. Alle Marx-Engels-Ausgaben verschwanden aus den Buchhandlungen und dem öffentlichen Bereich der Bibliotheken. Allein schon ihr Besitz war lebensgefährlich.

Nachlassgeschichte 4

Diese Ereignisse und in ihrem Gefolge der Zweite Weltkrieg hatten auch bedrohliche Folgen für den Marx-Engels-Nachlass selbst. Er musste auf abenteuerlichen Wegen und unter mancherlei Verlusten aus Deutschland herausgeschmuggelt und in einem Banksafe in Kopenhagen untergebracht werden. Die Verhandlungen der Exil-Leitung der SPD mit dem Moskauer Institut über einen Verkauf bzw. die sichere Aufbewahrung des Nachlasses scheiterten.[48] Allein sein Erwerb durch das 1935 in Amsterdam gegründete Internationale Institut für Sozialgeschichte und seine Rettung während der deutschen Besetzung der Niederlande (Verbringung nach England) wandte schlimmeres Schicksal von ihm ab.[49] Noch schlechter erging es den persönlichen Bibliotheken von Marx und Engels, die in die SPD-Bibliothek eingegliedert worden waren. Diese wurde 1933 von den Nazis beschlagnahmt, in verschiedene Einrichtungen verstreut, Teilbestände im Kriegsverlauf ausgelagert. So gingen nicht wenige Bücher verloren. Trotz jahrzehntelanger Sucharbeiten konnten bis heute nur rund die Hälfte des wertvollen Bestandes (darunter viele Exemplare mit zahlreichen Randnoten von Marx und Engels) wieder aufgefunden werden.[50]

Allerdings gelang dem Moskauer MELI 1936 doch noch ein Coup, über den viele Jahrzehnte Stillschweigen gewahrt wurde. Schon 1935 hatte sich aus Wien der polnischstämmige Historiker Marek Kriger über die sowjetische Botschaft an das MELI gewandt. Er gab zu erkennen, dass er im Besitz von Marx-Manuskripten sei, die er dem Moskauer Institut verkaufen wolle. Als „Beweis“ legte er eine „nachträgliche Bescheinigung“ vom Dezember 1933 bei, die der SPD-Archivverwalter für seine etwa einjährige Sortierarbeit im Archiv ausgestellt haben sollte. Für fast 18.000 Dollar (er hatte 20.000 gefordert) überlies Kriger dem MELI die kleine und große Serie der ökonomischen Manuskripte (1857/58, 1861-63) und einige kleinere Manuskripte.[51] In gewisser Weise war die Direktion des MELI mit diesem Vertrag sehr zufrieden, denn man verfügte jetzt über die Originale zweier berühmter Manuskripte und man hatte natürlich die Fotokopien des gesamten Nachlasses.

Aber schon im Sommer 1940 war der Nachlass erneut in Gefahr. Nach der deutschen Besetzung der Niederlande durchsuchte ein spezieller Einsatzstab der Nazis das Institutsgebäude in Amsterdam. Allerdings fand er nicht den Marx-Engels-Nachlass. Dieser war wiederum rechtzeitig nach England verbracht worden und lag in der Obhut eines Historikers in Oxford.

Mit der 1936 erneut einsetzenden Säuberungs- und Prozesswelle in der Sowjetunion kam das endgültige Aus für die MEGA1. Die noch verbliebenen ausländischen MitarbeiterInnen wurden der „Spionage“ beschuldigt, verhaftet und verurteilt, das Netz wissenschaftlicher Korrespondenten im Ausland aufgelöst. Die Reduzierung des Marximus-Leninismus auf die Stalin‘schen Dogmen ließ für die Fortführung der Edition als einer „objektiven Grundlage für jede Marx-Engels-Forschung“[52] keinen Raum mehr. Es bedurfte mutigen Einsatzes, 1939 und 1941 in zwei Teilbänden noch die Erstveröffentlichung der Marx’schen Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie im Moskauer Verlag für fremdsprachige Literatur herauszubringen (ursprünglich geplant als Band II/1). Diese Ausgabe folgte den Editionsprinzipien der MEGA1, führte aber diese Bezeichnung nicht mehr im Titel. Alle gedruckten Bände (z.T. mit herausgeschnittenen Einleitungen) bzw. druckfertigen Manuskripte und alle Arbeitsunterlagen der Gesamtausgabe wurden 1938 top secret archiviert und erst nach 1990 wieder zugänglich gemacht. [53] Die MEGA1 wurde nie offen verboten, sondern einfach totgeschwiegen, nachdem ihre Bearbeiter zum Schweigen gebracht worden waren. Und solange Stalin lebte, wagte man es nicht, eine neue MEGA zu beginnen. Und auch danach war die Fortsetzung des Schweigens über Art und Umstände dieses Endes eine der Bedingungen, mit deren Einhaltung schließlich grünes Licht für die Herausgabe der MEGA² gegeben wurde.[54]

3. Die Periode von 1945 bis 1968

Nach der Zerschlagung des Hitlerfaschismus begann eine ,Renaissance’ der Marx-Engels-Edition in Deutschland. Das Interesse an ihren Schriften war groß, vor allem in der Sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR erschienen zahlreiche Ausgaben. Angesichts fast völlig fehlender Textgrundlagen waren dabei die bereits genannten deutschsprachigen Ausgaben des Moskauer Instituts, insbesondere die Ausgewählten Schriften in zwei Bänden, die vierbändige Ausgabe des Briefwechsels und der Band Ausgewählte Briefe sowie die drei Bände des Kapitals, eine unentbehrliche Grundlage.

Nachlassgeschichte 5

Nach 1945 nahm das Internationale Institut für Sozialgeschichte (IISG) wieder seinen Sitz in der Amsterdamer Altstadt in Besitz, und die ausgelagerten Bestände, einschließlich des Marx-Engels-Nachlasses, wurden zurückgeführt. Unter anderem wurde der größte Teil der 160.000 Bände umfassenden Bibliothek im Frühjahr 1946 auf zwei bei Windheim (nördlich von Minden) auf der Weser liegenden Schleppkähnen entdeckt. Das Zusammentragen und die erneute Inventarisierung beanspruchten über ein Jahrzehnt. Das Institut war als private Einrichtung nicht mit großen finanziellen Mitteln ausgestattet und verfügte nur über einen kleinen Mitarbeiterstab. Erst seit 1979 ist das Institut im Rahmen der Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften tätig.

Die Benutzung der Bestände im IISG war für westeuropäische Marx-Engels-Forscher, zumeist Einzelpersönlichkeiten, möglich. Sie bereiteten Publikationen vor, vor allem Editionen von Briefen von Vertretern der europäischen Arbeiterbewegung. Der Zugang durch osteuropäische Wissenschaftler wurde erst mit Beginn der Vorbereitung einer zweiten MEGA möglich. Erst nach Abschluss einer Vereinbarung zur Unterstützung der historisch-kritischen neuen MEGA seitens der Herausgeberinstitute in Moskau und Berlin mit dem IISG (1970) und der diplomatischen Anerkennung der DDR durch die Niederlande (1972/73) wurde auch der Zugang durch DDR-Wissenschaftler möglich. Das war vor allem deshalb notwendig, um die Textvergleiche und Zeugenbeschreibungen am Original ausführen zu können.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war es auch für das Moskauer Institut schwierig, einen Neuanfang zu finden. Die während des Krieges nach Ufa ausgelagerten Bestände wurden ab Mitte 1944 wieder zurück nach Moskau gebracht. Auch hier dauerte es einige Zeit, bis wieder an eine kontinuierliche Editionstätigkeit zu denken war. 1945/46 nutzte das IMEL die Möglichkeit der sowjetischen Besatzung in Osteuropa, einschließlich im Osten Deutschlands, für die Requirierung von Archiv- und Bibliotheksbeständen. Das Institut sandte einen beauftragten Vertreter nach Berlin, der gemeinsam mit Kulturoffizieren der Sowjetischen Militäradministration speziell nach den Beständen aus der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung suchte. So kamen über 1.000 Bücher der ehemaligen SPD-Bibliothek, darunter 243 mit dem Stempel „Karl-Marx-Haus Trier“, aber auch Dokumente, wie der Lassalle-Nachlass, nach Moskau. Außerdem gelang es, einen Nachfahren der Engels-Familie in der britischen Zone aufzusuchen und von ihm ein Konvolut von Engels-Dokumenten zu erwerben.[55]

Anfang der 1950er Jahre begann in Berlin durch das neugegründete Institut für Marxismus-Leninismus (IML) beim ZK der SED eine gezielte Suche nach Titeln ex libris Marx und Engels. So konnte weitere 600 Titel aus der SPD-Bibliothek aufgefunden werden, die 1953 bzw. 1961 auf Beschluss des ZK der SED als Geschenk an das Moskauer Parteiarchiv gesandt wurden. Später kamen in der Berliner Institutsbibliothek weitere 300 Exemplare hinzu, darunter waren 122 Titel aus der Engels’schen Militariasammlung.

Weiterhin gelang es dem Moskauer Institut Ende der 1940er Jahre wieder Kontakte zu der Longuet-Familie in Frankreich herzustellen. Jean Longuet war 1938 verstorben. In seine Nachfolge trat sein Bruder Edgar Longuet, der schon 1948 weitere Materialien aus dem Familiennachlass übergab, weitere Dokumente folgten von der nächsten Longuet-Genration: 1960 von Marcel Charles und 1963 von Fréderic Longuet bei deren Besuchen in Moskau. So kamen u.a. der Briefwechsel von Marx mit Wilhelm Liebknecht und viele Notizbücher und Kalender nach Moskau.[56]

Sowohl die KPD als auch die SPD maßen der Verbreitung der Schriften von Marx und Engels in hohen Auflagen besondere Bedeutung für die politische Aufklärung und die Klärung strategischer Probleme in Vorbereitung des Zusammenschlusses der beiden Arbeiterparteien und in der Startphase der SED bei. Ein auf der ersten gemeinsamen Konferenz im Dezember 1945 gefundener Kompromiss sprach sich für einen Sozialismus im „Sinne der Lehren des konsequenten Marxismus“ aus. Das Programm der vereinigten Partei sollte erarbeitet werden auf der Grundlage des Kommunistischen Manifests, des Eisenacher Programms und der Kritik des Gothaer Programms. Auch Anton Ackermanns Schrift Gibt es einen besonderen deutschen Weg zum Sozialismus benutzte Marx und Engels nicht nur als Autoritätsbeweis, sondern versuchte ernsthaft, sich bei ihnen Rat zu holen. Dieses Konzept für einen friedlichen und demokratischen deutschen Weg wurde auf der Reichkonferenz der KPD im März 1946 offiziell verkündet. Die schließlich vom Vereinigungsparteitag beschlossenen „Grundsätze und Ziele der SED“ entsprachen in wichtigen Fragen mehr der Diktion des von den Sozialdemokraten eingebrachten Entwurfs als dem kommunistischen Vorschlag. Das spätere Lossagen von einem dem Vorbild Oktoberrevolution abweichenden eigenständigen Weg und Ziel und die auf Geheiß Stalins vorgenommene Verdammung eines deutschen Weges zum Sozialismus durch die SED-Führung im Jahre 1948 lief auf die vollständige Übernahme der Grundelemente des sowjetischen Modells hinaus und markierte auch einen Bruch in der lebhaften Marx-Engels-Rezeption und die Einschwörung auf den Marxismus-Leninismus. Von der Sowjetischen Militäradministration wurde eine eindeutige Rangfolge für ,Klassiker’-Editionen vorgegeben: Zuerst die Werke Stalins, dann die Werke Lenins und danach die Werke von Marx und Engels. Anstatt die Marx-Engels-Edition von einengenden Bedingungen zu befreien, wurde sie monopolisiert und an Parteiinstitutionen und Parteiverlage gebunden, was einer streng wissenschaftlichen Beschäftigung mit ihrem Leben und Werk entgegenstand.[57]

Bald machte sich jedoch das Fehlen einer umfassenden, zusammenhängenden Werkausgabe in deutscher Sprache immer spürbarer bemerkbar. Zu den wichtigsten Voraussetzungen für das Zustandekommen einer solchen Edition gehörte, dass am Moskauer Institut mit einer zweiten russischen Werkausgabe (Sočinenija²) begonnen worden war.[58]

Dort war die vorhandene erste Werkausgabe als „unbefriedigend“ empfunden worden. Sie habe erhebliche Mängel aufgewiesen, etwa „eine Reihe Verfälschungen und Ungenauigkeiten bei der Übersetzung ins Russische“ und „Verletzungen der chronologischen Prinzipien“ sowie bei der „Auswahl und Ordnung des Materials“.[59] Auch waren inzwischen viele neue Dokumente und Briefe entdeckt worden. Vorschläge der Bearbeiter, nunmehr eine wirklich vollständige Werkausgabe einschließlich des handschriftlichen Nachlasses (also 80–90 Bände) herauszubringen, wurden von den zuständigen Parteiinstanzen verworfen. Der 1945 fertiggestellte Prospekt für die zweite Ausgabe sah schließlich 38 Bände vor, 1952 wurde ihre Zahl wieder auf 30 reduziert, nach Stalins Tod konnten die Bearbeiter in zähem Ringen eine Erweiterung auf 39 Bände mit rund 1.600 Arbeiten und 4.000 Briefen durchsetzen. Nach deren Fertigstellung wurde beschlossen, zusätzlich noch 11 Ergänzungsbände herauszubringen.[60] Damit stellte die Sotschinenija2 eine noch umfassendere Veröffentlichung des literarischen Erbes von Marx und Engels dar, allerdings nicht in der Originalsprache, sondern in russischer Übersetzung (textkritische Fragen spielten daher eine untergeordnete Rolle). Auf sie stützten sich gleichartige Werkausgaben, die im Verlauf der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in über zwanzig anderen Sprachen herausgebracht wurden. Damit begann weltweit eine neue Etappe in der Verbreitung und auch wissenschaftlichen Rezeption des Gedankengutes von Marx und Engels. Ihre Vorzüge und Schwächen können an der nach Inhalt, Anlage und Editionsprinzipien auf ihr fußenden deutschen Werkausgabe nachvollzogen werden.

Die deutschsprachigen Marx-Engels-Werke (MEW), auf Beschluss des ZK der SED zum Karl-Marx-Jahr 1953 vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED 1956–1968 in 39 Bänden (denen sich bisher noch 4 Ergänzungsbände anschlossen) herausgebracht, hatte ausdrücklich auf der zweiten russischen Werkausgabe zu fußen.[61] Die MEW gehören eindeutig zum Typ der Studienausgabe und konstituieren eine repräsentative Werksammlung ohne Anspruch, eine historisch-kritische Gesamtausgabe zu sein.[62] Sie umfassen laut ihrer Konzeption alle abgeschlossenen Werke, Schriften und Artikel, die gedruckt erschienen sind, zuzüglich einer Auswahl von Manuskripten, Entwürfen und Vorarbeiten, weiterhin alle Briefe aus der Feder der Autoren. Dies wurde bis auf wenige, auf die zweite russische Ausgabe zurückgehende Ausnahmen realisiert, die vor allem die Frühschriften (erst vollständig in zwei Ergänzungsbänden) und einige gegen die zaristische Selbstherrschaft und deren Außenpolitik gerichtete Arbeiten betreffen. Dadurch diskreditierte sich die ansonsten bislang vollständigste Ausgabe in unnötiger Weise. Die gewählte Editionsweise stand in der Traditionslinie der bisherigen, politisch eingebundenen Marx-Engels-Editionen mit ihren Leistungen und Schwächen. Von ihrer anvisierten Zweckbestimmung her sollte sie eine kombinierte Lese- und Studienausgabe darstellen. Dahinter stand die Annahme, dass eine einzige Ausgabe viele Aufgaben gleichzeitig zu lösen imstande sei, sich also sowohl an Leser ohne Vorkenntnisse als auch an Benutzer, die sich wissenschaftlich weiterbilden möchten, wenden könne. In einer solchen Konzeption widerspiegelten sich auch deutlich die Grundzüge der Bildungs- und Kulturpolitik der SED. [63] Es erwies sich allerdings bald, dass eine so komplexe Edition wie die MEW als „Volksausgabe“ weniger genutzt wurde, sondern mit ihren umfangreichen und reich kommentierten Textkorpus vor allem den Bedürfnissen wissenschaftlich interessierter Nutzer (Studenten, Lehrer, Dozenten, Publizisten, Forscher usw.) entgegen kam. Indem die MEW zugleich die – für die DDR verbindliche – Grundlage einer Vielzahl von Einzel- und Auswahlausgaben der Schriften von Marx und Engels war, kamen ihre Ergebnisse auf diese Weise auch einem breiteren Leserkreis zugute. Für die Übersetzungsarbeit an den Marx-Engels-Werkausgaben in anderen Ländern und Sprachen wurden sie ebenfalls gern herangezogen. Daraus entwickelten sich intensive Kontakte der Berliner Marx-Engels-Abteilung zu den entsprechenden Einrichtungen, vor allem in China, Japan, Vietnam, in der Mongolei und im Libanon, in der Tschechoslowakei, in Ungarn, Polen und Bulgarien, aber auch Frankreich und Italien.[64] Die Tatsache, dass die MEW 60% der Texte im deutschsprachigen Originalwortlaut enthält, verlieh ihr einen besonderen Stellenwert gegenüber den durchgängig auf Übersetzungen beruhenden Werkausgaben in anderen Sprachen (die Ausgabe der Collected Works (MECW), die gemeinsam von Verlagen der Kommunistischen Parteien Englands und der USA in Zusammenarbeit mit dem Progress Verlag in Moskau in 50 Bänden herausgebracht wurde und in der ein Drittel des Textvolumens englischsprachige Originaltexte wiedergibt, besitzt ebenfalls eine solche Sonderstellung). Die MEW, die 1700 Schriften und 4170 Briefe enthalten (darunter viele bis dahin unbekannte Arbeiten und erstmalig alle von Marx/Engels an dritte Personen gerichtete Briefe, wovon ein Drittel zum ersten Male ins Deutsche übertragen wurde), bleiben bis zur Fertigstellung der MEGA² die umfassendste Edition der Schriften und Briefe von Marx und Engels in deutscher Sprache.[65] Infolge ihrer allgemein anerkannten zuverlässigen Textkonstitution dienen die MEW nach wie vor als bevorzugte Textgrundlage für Einzelausgaben und Textsammlungen, einschließlich digitaler Editionen, und als Zitatenquelle. Dies gilt nicht in gleicher Weise für den kommentierenden Apparat, der erheblich politisch-ideologisch kontaminiert ist und nicht den neuesten Forschungsstand widerspiegelt.

Auf eine solide und anspruchsvolle moderne Textdarbietung wurde viel Sorgfalt verwendet. Die deutschsprachigen Texte sind originalgetreu wiedergegeben, politisch-ideologisch motivierte Auslassungen, Zusätze oder Sinnesänderungen anderer Art sind konsequent vermieden worden. Die textkritische Arbeit konzentrierte sich auf die Beseitigung von Korruptelen, wobei viele Druck- und Entzifferungsfehler in früheren Ausgaben ausgemerzt werden konnten. Hinsichtlich Orthographie und Interpunktion erfolgte eine „behutsame Modernisierung unter Wahrung des Lautstandes“. Über das Für und Wider dieser Verfahrensweise bei Studienausgaben wurde damals heiß diskutiert, so auch unter den Mitarbeitern an den MEW. Die gefundene Lösung entsprach der damals vorherrschenden Verfahrensweise.[66]

Auch hinsichtlich der gebotenen Übersetzungen der im Original in anderen Sprachen verfassten Texte – immerhin ein Anteil von 40% – können inhaltliche Korrektheit und auch eine versuchte Annäherung an Stil und Wortgebrauch des 19. Jahrhunderts festgestellt werden. Die anfängliche Illusion, die Übersetzungen so gestalten zu können, dass sie deutschen Originaltexten von Marx und Engels gleichen, musste in der Praxis auf das von Engels formulierte Ziel reduziert werden: „Wir können zwar Marx’ Stil nicht nachmachen, aber der Stil muss doch der Art sein, dass er dem Marxschen nicht geradezu widerspricht“.[67] Auf eine gute Qualität der überwiegend erstmaligen Übersetzungen ins Deutsche wurde besonders geachtet, da sich diese ständig mit deutschen Originaltexten von Marx und Engels abwechselten und so direkt vergleichbar waren, wodurch jede Ungereimtheit in Wortwahl und Stilistik sofort offenkundig war. In den Briefbänden wurde das Problem noch einmal besonders akut.

Im Unterschied zur verlässlichen Textdarbietung sind im kommentierenden Apparat, der überwiegend eine Übersetzung aus der zweiten russischen Ausgabe darstellt, die von der politischen Führung geforderten ideologischen Positionen über weite Teile bestimmend; Text und Apparat driften deutlich auseinander. Die an die Vorworte gestellte Forderung, die aktuelle Deutung und Bedeutung der Aussagen in den Autorentexten herauszuarbeiten, wurde nahezu gebetsmühlenartig umgesetzt. Was der Apparat dagegen vermissen lässt, sind Angaben zu den zeitgenössischen Entstehungsumständen oder gar konkurrierenden Interpretationsansätzen, da dies für die Parteiideologen eine Einschränkung der postulierten Aktualität und Allgemeingültigkeit der „Lehren der Klassiker“ bedeutet hätte.

So unerlässlich für eine ausgewogene Bewertung der MEW eine deutliche Differenzierung zwischen Textkonstitution und Kommentierung ist, so darf dennoch nicht übersehen werden, dass in einer Edition beides zusammenwirkt, dass die parteipolitischen Interpretationsraster im Apparat die wissenschaftliche Qualität der Ausgabe als Ganzes beeinflussen, also auch das Studium und Verstehen der Texte selbst in eine bestimmte Richtung kanalisieren können. Dieses Faktum steht im direkten Funktionszusammenhang mit den politisch-ideologischen Zielen der Partei.[68]

In den 1960er Jahren begann auch in der BRD das Interesse an den Schriften von Marx und Engels zu wachsen. Es erschienen eine Reihe Publikationen von Einzelschriften. Für eine eingehende Beschäftigung mit ihrem Lebenswerk war man allerdings auf die Benutzung der in der DDR erscheinenden MEW angewiesen.[69] Um diesem „ärgerlichen Zustand“ abzuhelfen, brachte der Cotta-Verlag 1960–1964 eine auf sieben Bände angelegte Studienausgabe heraus, die bis heute die umfangreichste Edition von Marx-Texten in Westdeutschland geblieben ist.[70] Die Textwiedergabe folgt in weiten Teilen der MEGA1 bzw. den MEW. Ihre Besonderheit liegt in der gewollten Trennung des Schaffens von Marx und Engels und der Akzentuierung auf in den MEW zunächst ausgelassenen Schriften. Im Vorfeld der 1968er Bewegung wuchs das Interesse an Marx und Engels noch deutlicher, und damit auch die Zahl der Publikationen, vor allem in Form von Taschenbüchern. Ohne eigenständige textkritische Arbeit stützten sich deren Texte, mit oder ohne Nachweis, fast ausschließlich auf die MEW. Eine besondere Verbreitung fand die 1966 von Iring Fetscher herausgegebene vierbändige Marx-Engels-Studienausgabe.[71] Sie besticht durch ausgewogene Auswahlprinzipien und sachliche Kommentierung.

Wie andere Studienausgaben konnten auch die MEW nicht bzw. nur zu einem kleinen Teil auf das Vorhandensein einer historisch-kritischen Ausgabe zurückgreifen. In solchen Fällen ist es als ein echter Gewinn anzusehen, wenn sich Studium und Forschung auf zuverlässige Studienausgaben als ‚Interims-Editionen’ für zukünftige historisch-kritische Ausgaben stützen können. Das gilt für das Verhältnis der ersten russischen Werkausgabe zur ersten MEGA ebenso wie für die zweite russische Werkausgabe und die MEW als Vorbereiter einer zweiten MEGA. Die MEW waren genötigt, in mancherlei Hinsicht über das für Studienausgaben Übliche hinauszugehen, ja sogar manche editorische ‚Pionierarbeit’ für eine nachfolgende historisch-kritische Gesamtausgabe zu leisten. Das betrifft u.a. die Heranbildung eines zuvor nicht vorhandenen qualifizierten, in der praktischen Editionstechnik geschulten Mitarbeiterstammes, die in dieser Zeit gewachsenen intensiven, auf gegenseitiger Anerkennung und freundschaftlichen Beziehungen beruhende Zusammenarbeit der unmittelbar an der russischen und der deutschen Werkausgabe Beteiligten und nicht zuletzt die mit ihrer Edition verbundene Schaffung eines beachtlichen Materialfundus im Berliner Herausgeberinstitut praktisch aus dem Nichts.[72]

Die Marx-Engels-Werkausgaben stellen ohne Zweifel einen wichtigen Schritt, einen Quantensprung in der Veröffentlichungs-, Verbreitungs- und Rezeptionsgeschichte des literarischen Nachlasses von Marx und Engels dar. Sie haben sich einen unverzichtbaren Platz in der Geschichte der Marx-Engels-Edition erobert, über Jahrzehnte weltweit und nachhaltig gewirkt und werden auch weiterhin eifrig genutzt. Besonders die deutsche Werkausgabe erfreute sich weiterhin reger Nachfrage.[73]

4. Die Periode von 1968 bis 1989

Parallel zur Herausgabe der zweiten russischen und der deutschen Werkausgabe war in der Zeit des ‚Tauwetters’ nach Stalins Tod Rjazanovs Projekt einer Gesamtausgabe in Moskau und Berlin wieder aufgegriffen worden, jedoch konnte das Konzept für eine neue Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA2) auf Grund des Widerstands sowjetischer Parteiinstanzen, die eine fünfzigbändige Werkausgabe in den Originalsprachen (analog zu Sotschinenija²) favorisierten, erst im Verlauf der 1960er Jahre durchgesetzt werden. Eine historisch-kritische Gesamtausgabe war im Grunde wenig geeignet für die Legitimation der aktuellen Politik diktatorischer Parteien. In der Sowjetunion und auch in der DDR (hier abgeschwächt durch den heftigen Wunsch der Parteiführung, den zwei „größten Deutschen“ ein würdiges Denkmal zu setzen) herrschte unter der Nomenklatura keineswegs nur Begeisterung, als das Projekt wieder aufgegriffen wurde. Enthielt doch das komplette Marx-Engelssche Œuvre so manche ‚ketzerische’ Äußerungen, die im sozialistischen Leservolk womöglich Zweifel am „Realsozialismus“ wecken konnten. „Dass es DDR- und Sowjetwissenschaftlern unter den obwaltenden Umständen (dank auch der Einbeziehung des IISG) gelang, das Projekt erneut zu beleben und ihm eine wissenschaftliche Reputation auch in internationalen Fachkreisen zu sichern, zählt zu jenen Geschichten aus dem geschlossenen Universum des real existierenden Sozialismus, die fast zu schön sind, um wahr zu sein.“[74] Doch Sinn, Notwendigkeit und Charakter einer MEGA waren nur unter vielen Mühen und Schwierigkeiten durchzusetzen. Und eine öffentliche Debatte darüber war vorerst unmöglich.

Erst 1965, dreißig Jahre nach dem Ende der MEGA1, konnten die Vorbereitungen einer neuen Gesamtausgabe offiziell und konkret in Angriff genommen werden. In den vorangegangenen zehn Jahren hatten sich folgende Ausgangspositionen dafür herauskristallisiert: 1. die MEGA1 kann nicht einfach fortgesetzt werden, sondern die Gesamtausgabe wird noch einmal neu begonnen; 2. es wird diesmal nicht nur in Moskau, sondern auch der DDR gleichberechtigt daran gearbeitet; 3. die Ausgabe erscheint in Berlin, die technische Herstellung erfolgt in Leipzig; 4. die Tradition der Herausgabe durch Parteiinstitutionen wird weitergeführt.[75]

Nach den Intentionen der herausgebenden Parteiinstitute sollte der kommentierende Apparat der MEGA² eine Synthese der Ergebnisse der internationalen Marx-Engels-Forschung und zugleich Auseinandersetzung mit der bürgerlichen „Marxologie“ sein, also den Anforderungen der modernen Editionswissenschaft und zugleich Theorie und Methode des Marxismus-Leninismus gerecht werden. Selbst noch in den 1960er Jahren täuschten sich die Parteiführungen und die Herausgeber über die Abgründe, die zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert, zwischen den theoretischen Abstraktionen von Marx und dem Pragmatismus der letzten ZK-Beschlüsse lagen. Aber diese Selbsttäuschung war eine der Voraussetzungen, die das „MEGA-Wunder“ überhaupt möglich machten. Allerdings geriet die Funktions- und Gegenstandsbedingtheit einer solchen Edition selbst immer stärker in Widerspruch zu diesen sich gegenseitig ausschließenden Forderungen. So tendierten die Diskussionen der Mitarbeiter über die Kommentierung und die Registergestaltung – die Vorworte wurden davon nicht berührt – in wachsendem Maße zu einer Versachlichung der Informationen, wandten sich mehr und mehr dem historischen Kontext der Textproduktion und den neuesten – verstärkt auch internationalen – Forschungsergebnissen zu.[76]

Allen unmittelbar Beteiligten war klar geworden, dass nicht nur die auf dem Gebiet der Marx-Engels-Edition vorliegenden Erfahrungen und Resultate, speziell bei der MEGA1, aber auch der Werkausgaben, kritisch analysiert werden mussten, sondern in gleicher Weise die zuvor kaum beachteten neuen Entwicklungen in Theorie und Praxis der neugermanistischen Editionswissenschaft überhaupt sorgfältig zu studieren und auf ihre Anwendbarkeit zu prüfen waren. Dies geschah in der Marx-Engels-Abteilung des Berliner Instituts in einem sich über die Jahre 1967/1968 erstreckenden Zyklus intensiver Studien und lebhafter Diskussionen, der zu folgenreichen Erkenntnissen führte.

Die Editionswissenschaft hatte sich seit den 1920er Jahren von einer Hilfswissenschaft der Philologie zu einer eigenen, selbständigen Wissenschaft entwickelt, deren neue, grundlegende Erkenntnisse in vielen historisch-kritischen Editionen, besonders im neugermanistischen Bereich, praktisch erprobt und weiter entwickelt wurden.[77] Sie gaben hinsichtlich der gesellschaftlichen, autor- und werkgebundenen Editionsfaktoren, der Funktions- und Gegenstandsbestimmtheit von Editionen, der Anforderungen an eine historisch-kritische Edition, der Definition von „Werk“ und seines Prozesscharakters, der Gleichwertigkeit verschiedener Fassungen eines Textes und neuen Verfahren der Textkritik und der Variantendarbietung entscheidende Anregungen. Diese Fachstudien wurden ergänzt durch einen intensiven Erfahrungsaustausch mit den Herausgebern anderer akademischer Editionen, vor allem an der Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Daraus entwickelte sich gegenüber der MEGA1 eine veränderte Herangehensweise, die in folgenden editorischen Grundsätzen mündete:

a. Uneingeschränkte Vollständigkeit bei der Wiedergabe des gesamten literarischen Nachlasses in Drucken und Handschriften (einschließlich der Exzerpte und Notizen sowie der Briefe Dritter an Marx und Engels). Ausschluss jeglicher wie immer motivierter tendenziöser Auswahl. Alle überlieferten Fassungen eines Werkes gelten als gleichberechtigt.

b. Exakte Einhaltung des chronologischen Anordnungsprinzips der Texte innerhalb jeder Abteilung.

c. Die Textwiedergabe erfolgt getreu den überlieferten originalen Handschriften und Drucken in ihrer Originalsprache und unter Beibehaltung ihrer Orthographie und Interpunktion. Anwendung des Prinzips frühe Hand für die Festlegung des zu edierenden Textes. Keine Textkontaminationen. Eine kritische Textrevision im Sinne der Beseitigung eindeutig fehlerhafter Stellen. Bei unklaren Befunden bleibt der Text der Vorlage bestehen, das Problem wird im textkritischen Apparat erörtert. Nachweis aller redaktionellen Eingriffe in einem Korrekturenverzeichnis.

d. Vollständige Darstellung der Textgenese innerhalb der Handschriften und von Fassung zu Fassung, ebenso zwischen autorisierten Drucken, jeweils nach den modernsten Editionsverfahren der Variantenverzeichnung.

e. Umfassende erläuternde Texterschließung (Entstehung und Überlieferung, Zeugenbeschreibung, Hinweise auf historische und theoriegeschichtliche Zusammenhänge, Quellennachweise, Rezeptionsgeschichte zu Lebzeiten der Autoren, Register.[78]

Diese Konzeption setzte sich gegen erhebliche Widerstände und Missverständnisse, vor allem seitens der Moskauer Institutsleitung, letztendlich durch.

Nachdem so der historisch-kritische Charakter der Edition garantiert und zudem deutlich geworden war, dass von keiner anderen interessierten Seite ein solch gewaltiges Unternehmen geschultert werden konnte,[79] erklärte sich auch das IISG Amsterdam, das im Besitz des dafür unentbehrlichen Großteils des originalen handschriftlichen Marx-Engels-Nachlasses war, zur Unterstützung des Projekts bereit.[80]

Die 1972 in einem Probeband öffentlich zur Diskussion gestellten Editionsrichtlinien für die neue MEGA orientierten sich an modernen, innovativen Editionskonzepten und wurden von der internationalen Fachwelt positiv aufgenommen.[81] Sie bot letzterer „eine Möglichkeit der Teilnahme an der Gestaltung dieser Ausgabe, wie sie kaum von einer anderen großen Edition bekannt war [...] aber wünschenswert wäre“.[82] In rund 120 Stellungnahmen von Spezialisten aus aller Welt wurde konstatiert, dass damit der erreichte Stand der Editionswissenschaft nicht nur angemessen berücksichtigt worden sei, sondern ihr „bisheriger Kenntnisstand und Erfahrungsbereich erweitert“ und sie „zweifellos den weiteren Verlauf der editionswissenschaftlichen Diskussion und Praxis mitbestimmen“ werde (Gutachten Gerhard Seidel). „In der Darstellung komplizierter Prosa-Handschriften – die Crux der zur Zeit laufenden Editionen! – und in der Darstellung von Exzerpten“ lege die MEGA eine „überzeugende neue Lösung alter Probleme“ vor, heißt es im Gutachten von Hans Zeller, der daraus schlussfolgerte: „Wer eine neuphilologische Ausgabe vorbereitet, wird den Band nicht ohne Schaden übergehen.“[83] Von den kritischen Hinweisen und konstruktiven Anregungen, die die Gutachten enthielten, wurde der überwiegende Teil in der endgültigen Fassung der Editionsrichtlinien berücksichtigt. Diese Verfahrensweise förderte maßgeblich die Kontaktaufnahme und Zusammenarbeit mit kompetenten Vertretern der neugermanistischen Editionsphilologie.[84]

Die im Probeband vorgeführte Darbietung der Textgenese stieß erwartungsgemäß auf vehemente Ablehnung der leitenden Mitarbeiter der Weimarer Forschungs- und Gedenkstätten. In ihrem Gutachten beharrten diese auf ihrer ‚marxistischen’ Auffassung, dass es „nicht als eigenständige Aufgabe einer historisch-kritischen Gesamtausgabe [...] zu betrachten ist, die ‚Genesis’ der einzelnen Texte zu dokumentieren“.[85] Auch von einigen Moskauer Kollegen wurden die im Probeband vorgestellten aufwendigen Methoden der Text- und Variantendarbietung als Ausdruck von Akademismus, Formalismus und Pedanterie abgelehnt. Diese Einwände konnten, auch dank der nachdrücklichen Unterstützung namhafter Philologen, erfolgreich zurückgewiesen werden.[86] Gegen die Belassung der historischen Schreibweise gab es heftigen Widerstand der Moskauer Seite, da sie die Verständlichkeit und Lesbarkeit der Texte beinträchtigen würde. Hier mussten noch überzeugendere Argumentationen für eine konsequente Beibehaltung der originalen orthographischen, grammatikalischen und interpunktionellen Sprachformen ins Feld geführt werden.[87] Die editorische Praxis in der MEGA1 und den MEW hatten nur zu deutlich vor Augen geführt, dass das Streben nach Modernisierung und Normierung der Texte „nicht ohne erstarrenden Zwang und nicht ohne Ausnahmen, die sich in Regeln nur notdürftig und nirgends restlos einfangen lassen, geschehen kann.“ (Bernhard Seuffert) Die konsequente Bewahrung des originalen Textes dagegen unterstützt ein spezifisch historisches Verständnis klassischer Texte.[88]

Die Tradition der Marx-Engels-Edition, das Werk beider Autoren gemeinsam darzubieten, wurde in der MEGA² beibehalten. Die Berechtigung einer solchen Verfahrensweise wurde, wie schon des Öfteren, nun erneut von verschiedenen Seiten angezweifelt bzw. abgelehnt.[89] Aber die MEGA² beweist exemplarisch, dass sie in ihrem Falle vollauf gerechtfertigt war, und dies in einer dem tatsächlichen Maß und Verlauf dieser Zusammenarbeit am besten gerecht werdenden und dieselbe in einer effektiv reproduzierenden Editionsweise darbietet.[90]

MEGA² übernahm auch die Grundgliederung nach Werkgattungen von der MEGA1, trennt allerdings die Studienmaterialien (Abteilung IV) von der Werkabteilung (Abteilung I). In diesem Zusammenhang wurde auch verschiedentlich die Ausgliederung von Marx’ Werk Das Kapital in seinen Manuskripten und Drucken aus der Werkabteilung und ihre Separation in Abteilung II kritisiert. Dies entsprach jedoch voll und ganz dem allgemein anerkannten Editionsgrundsatz, alle zu einem Werk gehörenden Texte ungeachtet ihrer Entstehungszeiten zusammenzuführen (Werkprinzip).[91]

Die favorisierte strikte chronologische Anordnung der Texte zielt auf eine historische Eindeutigkeit und bietet zugleich die Möglichkeit, gewisse Schaffensphasen plausibel werden zu lassen. Zu den Editionsgrundsätzen gehört deshalb auch, jede Arbeit nach dem Erstdruck bzw. der Schlussfassung der Handschrift (Prinzip frühe Hand) zu publizieren. Dadurch werden auch stärker als bislang Einblicke in die Herausbildung und Veränderung der Begrifflichkeit Marx-Engels‘schen Denkens ermöglicht.

Die Mannigfaltigkeit des literarischen Lebenswerkes von Marx und Engels (Gedichte und Dramen-Versuche, Werke, Artikel, Briefe, Programmschriften, Resolutionen, Übersetzungen, Entwürfe, Fragmente, Konspekte, Exzerpte, Notizen, Marginalien) stellte besondere Ansprüche hinsichtlich flexibler Anpassungsmöglichkeiten der Editionsrichtlinien an die Spezifik der einzelnen Werkgattungen. So erfordert z.B. ihr umfangreiches publizistisches Schaffen, also die nahezu 2.000 Korrespondenzen und Artikel in 130 Periodika in 12 Ländern, spezielle Verfahrensgrundsätze beim Autorschaftsnachweis sowie bei der Bestimmung der Autorisation und Authentizität der Texte.[92]

Wie die Mehrsprachigkeit des literarischen Schaffens der beiden Autoren, bietet auch ihre umfangreiche und vielgestaltige übersetzerische Tätigkeit zusätzliche editorische Probleme, denen die Ausgabe gerecht zu werden versucht. Von Marx und Engels vorgenommene Übersetzungen eigener und fremder Werke bilden einen gleichberechtigten Bestandteil der Edition.[93]

Mit der MEGA² wird auch die Edition des Briefwechsels endgültig zum Abschluss gebracht.[94] Nachdem die MEGA1 den Briefwechsel zwischen Marx und Engels vollständig ediert hatte, vollzogen die MEW die Edition aller Briefe aus der Feder von Marx und Engels. Die MEGA² publiziert zugleich erstmalig die rund 10.000 überlieferten Briefe an Marx und Engels, bis 1990 allerdings noch nicht chronologisch eingereiht, sondern in einem gesonderten Teil der Bände, seitdem in einer durchgehenden Chronologie.[95]

In der IV. Abteilung werden in 32 Bänden die umfangreichen Studienmaterialien von Marx und Engels fast ausnahmslos zum ersten Mal publiziert und stehen damit der wissenschaftlichen Forschung vollumfänglich zur Verfügung.[96]

Mit der Verminderung des Ost-West-Gegensatzes und dem Wandel des politischen Klimas in Europa seit den 1970er Jahren nahm auch die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Marx-Engels-Forschung zu. Die Arbeit an der MEGA² wurde von einer wachsenden Zahl Forscher und Editionswissenschaftler interessiert verfolgt und unterstützt. Gleichwohl blieb die Einstellung zu dem Projekt ambivalent. Einerseits war unverkennbar, dass die hochgradig spezialisierten Bearbeiter um eine optimale Lösung der komplizierten editorischen Probleme bemüht waren und ihre intensiven Recherchen die Kenntnis des konkret-historischen Kontextes der Entstehung des Marx-Engels‘schen Œuvre erweiterten und vertieften. Andererseits war nicht zu übersehen, dass der MEGA² im Rahmen der „Entfaltung der internationalen Offensive des Marxismus-Leninismus“ eine politische Funktion zugedacht war. Im Verständnis der Herausgeber sollte die MEGA² die Funktion der Mutterausgabe für kleinere historisch-kritische bzw. wissenschaftliche Editionen, für nationalsprachige Gesamt- oder Teilausgaben und für ‚Massenausgaben’ in allen Ländern übernehmen, sozusagen zur letztinstanzlichen Zitationsquelle für alle Marx-Engels-Publikationen auf allen Ebenen und in allen Sprachen werden. Daraus erwuchs ein „gespanntes Verhältnis von marxistisch-leninistischem Credo und wissenschaftlichem Anspruch, editorischer Sorgfalt und legitimatorischen Zwecken“.[97] Die beiden herausgebenden Institute waren keine akademischen Einrichtungen, sondern Parteiinstitute bei den ZKs der KPdSU und der SED. Dies beeinflusste die editorische Arbeit in verschiedener Hinsicht: Eine Einengung der freien wissenschaftlichen Kommunikation hatte zur Folge, dass die internationalen Forschungsresultate nur teilweise berücksichtigt werden konnten. Politisch-ideologische Einflüsse traten besonders in den Einleitungen hervor, ferner in bestimmten Teilen des kommentierenden Apparats. In manchen Bänden äußersten sie sich auch in ideologisch motivierten Verstößen gegen die chronologische Anordnung der Texte (z.B. in den Bänden I/1 und IV/2). Jedoch bestand hinsichtlich der MEGA² ein weltweiter Konsens darüber, dass an der Akribie ihrer Textrepräsentation kein rationaler Zweifel bestehen kann und dass man nur bei Strafe eines Verlustes an Wissenschaftlichkeit und editorischer Kultur hinter ihre Editionsgrundsätze zurückgehen darf.

Die MEGA², als gedachtes „Prestigeobjekt“ zweier kommunistischer Parteien, wurde zum größten Gemeinschaftsunternehmen der Sowjetunion und der DDR auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Edition. Es waren 133 Bände geplant, weitere 30 Bände, die für eine Wiedergabe der textlichen und graphischen Marginalien von Marx und Engels in Büchern etc. benötigt würden, blieben zunächst nur eine Option.[98] Bis 1990 erschienen 37 Bände (in der II. Abteilung erschienen Band 1 in zwei Teilbänden und Band 3 in sechs Teilbänden), jeweils aus separat gebundenem Text- und Apparatteil bestehend, mit denen – ungeachtet der gegen einzelne Teile des kommentierenden Apparats zu erhebenden Bedenken – die Marx-Engels-Edition und -Forschung eine qualitativ und quantitativ neue Stufe erreichen konnte.

4. Die Periode von 1990 bis zum Anfang des 21 Jahrhunderts

Mit der politischen Wende und der deutschen Einheit 1989/90 entstand für die Herausgabe der MEGA² eine existentielle Krise, die das gesamte Projekt erneut gefährdete, aber zugleich bisher ungekannte Chancen eröffnen konnte. Politisch und auch wissenschaftlich war heiß umstritten, ob die MEGA nach dem Scheitern des Realsozialismus und dem Ende der DDR und der UdSSR überhaupt fortgesetzt werden solle. Drei Optionen waren im Spiel: völliger Abbruch der Ausgabe, also ein längeres ‘Beiseitelegen’ von Marx und Engels; Projektierung einer neuen MEGA, wieder mit Band 1 beginnend; schließlich eine modifizierte Weiterführung der Edition auf Basis der bereits vorliegenden Bände und weiterer umfangreicher Vorarbeiten.[99] Das als Rechtsnachfolger des IML Berlin geschaffene Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung (IfGA) betrachtete die Weiterführung der MEGA² als eine der dringlichsten Aufgaben. Der neu gewählte Abteilungsleiter Martin Hundt empfahl die Gründung einer der PDS (Partei des Demokratischen Sozialismus) nahestehenden Stiftung und erwog auch eine Konzentration der Arbeit an der Akademie der Wissenschaften der DDR. Es wurden folgende praktische Schritte eingeleitet: Am 22. Februar 1990 beschloss die Akademie der Wissenschaften der DDR eine „akademische Kommission für die Herausgabe der Marx-Engels-Werke“ zu bilden. Parallel dazu lief das Bemühen der bisherigen Mitarbeiter an der MEGA² um eine Stiftung, die das weitere Erscheinen der MEGA abzusichern vermochte, und die sich mit dem Aufruf „Man muss die MEGA retten!“ an die Öffentlichkeit wandten. Am 9. April fand die Gründungsversammlung der MEGA-Stiftung Berlin e.V. statt, die sich „die Bewahrung, Edition und Erschließung des wissenschaftlichen Werkes von Karl Marx und Friedrich Engels“ zum Ziel setzte. Dafür wurde sie auf Beschluss des Präsidiums des Parteivorstandes der PDS im Juni 1990 mit einer Spende in Höhe von 55 Millionen Mark der DDR ausgestattet. Die Stiftung richtete eine eigene Arbeitsstelle ein, schloss 41 Arbeitsverträge ab und führte die Arbeit an den MEGA-Bänden fort.[100] Im Februar 1991 wurden diese Mittel jedoch von der Treuhand gesperrt und die 27,5 Millionen DM in ihre Verwaltung übernommen. Erneut solidarisierten sich zahlreiche Wissenschaftler mit der MEGA und protestierten gegen den Entzug der Finanzmittel, so Hunderte japanische Kollegen mit einer Unterschriftenaktion.[101]

Das Internationale Institut für Sozialgeschichte (IISG) Amsterdam und das Karl-Marx-Haus Trier der Friedrich-Ebert-Stiftung hatte im Einvernehmen mit den beiden bisherigen Herausgeberinstituten im Oktober 1990 die Initiative zur Gründung der Internationalen Marx-Engels-Stiftung (IMES) ergriffen, ein internationales Netzwerk, dem heute neben dem IISG und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) das Historische Forschungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn und das Russländische Staatliche Archiv für Sozial- und Politikgeschichte (RGASPI) in Moskau angehören. Die Stiftung übernahm alle Herausgeberrechte und begann, die MEGA² als „rein akademische Edition ohne jegliche parteipolitische Zielsetzung“ auf breiter internationaler Kooperation und unter neuen Prämissen fortzuführen.[102]

Die verantwortlichen Wissenschaftspolitiker der Bundesrepublik entschieden sich, trotz historisch bedingter Berührungsängste gegenüber den „Vätern des wissenschaftlichen Sozialismus“, schließlich für die Weiterführung der MEGA. Maßgeblich dafür waren die 1990 erfolgte Übernahme der Herausgeberschaft durch die IMES, der weltweite Protest von Wissenschaftlern gegen eine Einstellung der Ausgabe[103] und schließlich ihre positive Evaluierung durch eine von der Konferenz der deutschen Akademien beauftrage Expertenkommission, die feststellte, dass die MEGA-Edition „auf hohem Niveau erfolgt sei und auch westlichen Ansprüchen genüge“.[104]

Die notwendige Rekonstruktion der MEGA² nach dem Epochenjahr 1989, also ihre Entideologisierung, Entpolitisierung, Akademisierung und Internationalisierung, war ein komplizierter, schmerzhafter, aber auch befreiender Prozess. Diese Transformation wurde in mehreren Teilschritten vollzogen, ihre Befreiung von allen politischen Kautelen, die Revision der Editionsgrundsätze, ihre Redimensionierung und die Anwendung innovativer digitaler Verfahren im gesamten Herstellungsprozess. Aus institutioneller und personeller Perspektive waren die Einbettung in dauerhafte akademische Strukturen, die Integration der MEGA in die langfristige Forschungsförderung des Bundes und der Länder, der Wechsel von einem Partei- zu einem Wissenschaftsverlag sowie die Erneuerung des editorischen Stammpersonals die wichtigsten Schritte. An die Stelle wissenschaftsfremder hierarchischer Strukturen trat ein egalitäres internationales Forschungsnetz mit Editorenteams auf drei Kontinenten, dessen Kern und Kommunikationszentrum die BBAW bildet.

Damit wurde die MEGA² von einer Edition unter politischen Prämissen, die das Lebenswerk von Marx und Engels zu Legitimationszwecken funktionalisiert hatte, zu einer politisch zweckfreien, ausschließlich wissenschaftlichen Standards verpflichteten Edition, welche ihre beiden Autoren im Problemkontext ihrer Zeit verortete.

Die 1992 von einer internationalen Editorenkonferenz in Aix-en-Provence revidierten Editionsrichtlinien definierten die Marx-Engels-Gesamtausgabe als „die vollständige, historisch-kritische Ausgabe der Veröffentlichungen, der Handschriften und des Briefwechsels von Marx und Engels“. Dabei wurden hinsichtlich der editorischen Bestimmungen folgende wesentlichen Veränderungen vorgenommen:

  1. Die ideologisch ausgerichteten Einleitungen der Bände vor der Textedition werden abgelöst durch Einführungen am Beginn des Apparats. Sie ordnen die Werke in ihr zeitgenössisches und ideengeschichtliches Umfeld und in das Gesamtschaffen von Marx und Engels ein und legen Rechenschaft ab über die getroffenen editorischen Entscheidungen.
  2. Die Textkonstitution folgt uneingeschränkt dem zugrundeliegenden originalen Textzeugen. Unvollendete Manuskripte werden in jenem Bearbeitungszustand dargeboten, in dem die Autoren sie hinterlassen haben.[105] Abkürzungen werden in ihrer historischen Form belassen, notwendig erscheinende Ausschreibungen immer kenntlich gemacht. Eigene Bemerkungen von Marx und Engels in den Exzerpten erscheinen nicht mehr fett gedruckt, sondern in normaler Schrift bei entsprechenden Hinweisen im textkritischen Apparat.
  3. Die Werkentwicklung von der ersten Gedankenskizze bis zur Fassung letzter Hand wird mit Hilfe modernster Editionsmethoden dokumentiert, wobei alle autorisierten Textveränderungen im Variantenverzeichnis mitgeteilt werden, ausgenommen orthographische Varianten. [106]
  4. Alle redaktionellen Veränderungen, einschließlich der Korrektur von eindeutigen Druck- und Schreibfehlern, werden im Korrekturenverzeichnis nachgewiesen.
  5. Die Briefe von Marx und Engels und die an sie gerichteten Briefe werden in einer Chronologie angeordnet und nur im Schriftgrad unterschieden. Die Briefe jeden Bandes werden durchnummeriert.
  6. Die im Apparat angeführte Literatur und ausgewertete Quellen werden ebenfalls in einem besonderen Teil des Literaturregisters verzeichnet.
  7. Im Namenregister werden auch alle im Apparat angeführten Personen erfasst.[107]

Bei dieser Revision einzelner Festlegungen wurden die anerkannten philologischen Standards der Ausgabe bewahrt und zugleich präziser gefasst. Ein Bruch in den editorischen Gestaltungsgrundsätzen wurde vermieden.

In Verbindung mit der Überprüfung der Richtlinien stand auch der Umfang der Ausgabe auf dem Prüfstand. Eine „Redimensionierung“ war angemahnt. Die neugebildete Redaktionskommission organisierte 1994/95 intensive und auch kontroverse Debatten über die Möglichkeiten einer Redimensionierung des Projekts.[108] Manche Editionspraktiker erhoben generelle Einwände gegen eine uneingeschränkte Anwendung des Vollständigkeitsprinzips, bezogen auch Stellung gegen den ‘editorischen Gigantismus’ der MEGA und äußerten Zweifel an der Berechtigung ihrer Zielstellung, die „gesamte geistige Hinterlassenschaft in schriftlichen Äußerungen jeder Art“ darzubieten.[109] In den Diskussionen wurde besonders ein Verzicht auf die An-Briefe und die Ersetzung des Abdrucks der Exzerpte durch ihre Beschreibung angeregt. Die neugebildete Redaktionskommission prüfte diese Fragestellung allseitig. Hinsichtlich der An-Briefe plädierten Editionsfachleute (Walter Jaeschke, Siegfried Scheibe, Wolfgang Schieder u.a.) „mit großer Entschiedenheit für die Aufnahme: jede andere Entscheidung würde zwar im Moment Zeit und Geld sparen, jedoch das Verständnis der Briefe von Marx und Engels unzumutbar gemindert“. Auch hinsichtlich der Studienmaterialien (Exzerpte und Notizen) wurde festgestellt, dass allein ihre vollständige Wiedergabe als überaus aufschlussreiche Rezeptions- und Forschungsmanuskripte der Autoren dem Interesse der wissenschaftlichen Nutzer der Gesamtausgabe gerecht wird und nicht unzulässig eingeschränkt oder erschwert werden dürfe. Die Kommission kam schließlich nach gründlicher Prüfung aller Vorschläge zu dem Schluss, dass es keine „unvollständige Gesamtausgabe“ geben könne, also für die Wiedergabe der Autortexte selbst das Vollständigkeitsprinzip unangetastet bleiben müsse. Dennoch konnte eine gewisse Verringerung der Zahl und des Umfangs der Bände erreicht werden durch strukturelle Verbesserungen, Vermeidung von Mehrfachabdrucken, Verzicht auf Abdruck mancher Briefbeilagen, platzsparendes Layout usw., vor allem aber durch Beseitigung der vorherigen ‚Großzügigkeit’ beim Abdruck von Materialien im Anhang der Textbände, die nunmehr nur noch in extenso abgedruckt werden sollen, wenn es dafür triftige wissenschaftliche Gründe gibt. Ansonsten wird hier dem Vollständigkeitsprinzip auch mit einem auszugsweisen Abdruck oder einer Beschreibung genüge getan. Das betrifft vor allem Schriften anderer Autoren, die unter Beteiligung von Marx/Engels entstanden sind oder von ihnen redigiert wurden, Schriften anderer Autoren, die von Marx/Engels übersetzt wurden bzw. autorisierte Übersetzungen von Marx/Engels-Texten durch dritte Personen, oder durch Verlage und Redaktionen stark veränderte Texte von Marx und Engels, die von ihnen nicht autorisiert wurden.[110]

Hinsichtlich der Marginalien von Marx und Engels in den Büchern ihrer persönlichen Bibliotheken wird daran festgehalten, sie vollständig zu erfassen und im Apparat aller Abteilungen der MEGA² zu verwerten. Im Annotierten Verzeichnis des ermittelten Bestandes (MEGA² IV/32) werden alle Seiten mit Lesespuren ausgewiesen. Der kontextbezogene Wortlaut der textlichen Marginalien soll zunächst in einer Datenbank erfasst und zu gegebener Zeit entschieden werden, in welcher Form (evtl. digital) er für eine breite wissenschaftliche Benutzung zugänglich gemacht werden kann.[111]

Im Februar 1992 schloss die Konferenz der deutschen Akademien der Wissenschaften einen Kooperationsvertrag mit der IMES. Auf Empfehlung des Wissenschaftsrates und der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung wurde die MEGA² nach positiver Begutachtung durch eine internationale Kommission in das Akademienprogramm aufgenommen. Die „Begutachtung dieser Ausgabe (hatte) zum Ergebnis, dass sie als Edition auf hohem Niveau erfolgt sei und auch westlichen Ansprüchen entspreche“ und „der Untersuchung der Ausbildung der Gedanken und Theorien, die eine ebenso weitreichende wie verhängnisvolle Wirkung hatten, soll damit eine vollständige und historisch-kritisch aufgearbeitete Quellengrundlage zur Verfügung gestellt werden.“[112] Mit der Aufnahme in das Akademienprogramm des Bundes und der Länder, der Betreuung des Vorhabens durch die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW) und deren formellen Beitritt zur IMES im Oktober 1993 erhielt die MEGA zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine Heimstatt an einer deutschen Akademie. Mit dem Wechsel vom Dietz Verlag zum Akademie Verlag (2013 in die De Gruyter GmbH überführt) wurde die Reorganisation des Projekts abgeschlossen. Damit hatte die Marxphilologie endgültig ihren Platz innerhalb der großen akademischen Editionen gefunden.[113] Wer einen authentischen Marx und Engels sucht, ist bei der MEGA² in besten Händen. „Selten war der Ertrag philologischer Sorgfalt so groß wie in diesem Falle. Hier entsteht ein neues, historisch adäquates Marx-Bild, vor dem jede Orthodoxie verblassen muss. Stalin hatte die Gefahr gewittert und die erste MEGA und ihre Editoren brutal liquidiert.“[114] Die MEGA² ist ein notwendiger Beitrag zur Aufarbeitung der jüngsten Geschichte, wirksam gegen Dogmatismus, Linksradikalismus, gegen Vernunfts- und Wissenschaftsfeindlichkeit, so auch gegen einen blinden Antikommunismus. Durch sie wird der eindeutige Nachweis erbracht, dass Marx und Engels nichts mit Stalins Schreckensherrschaft, nichts mit Personenkult, nichts mit den Fehlern und Verirrungen der Sozialismus-Experimente des 20. Jahrhunderts zu tun hatten. Damit finden auch künftige Versuche, den Kapitalismus durch eine neue, bessere Gesellschaft abzulösen, von dieser Seite her ihre historische Rechtfertigung.

Neben einer inhaltlich-wissenschaftlichen Neuausrichtung der Ausgabe, die ihre politisch-ideologische Beeinflussung beendete, einer Revision der MEGA-Editionsrichtlinien und dem Aufbau einer neuen Leitungs- und Organisationsstruktur, die Zuständigkeiten und Aufgabenverteilung für eine Weiterführung der Ausgabe regelte, wären in herstellungstechnischer und buchgestalterischer Hinsicht eigentlich keine Veränderungen erforderlich geworden, wenn sich nicht in der Zwischenzeit eine wahre Revolution auf dem Gebiet der computergesteuerten Edition und Buchherstellung vollzogen hätte. Also musste auch der gesamte Arbeitsablauf auf durchgängige Computernutzung durch Ausarbeitung spezieller Textverarbeitungs- und Satzprogramme auf den aktuellen technischen Entwicklungsstand der Hard- und Software umgestellt und neue Partner für den technischen Herstellungsprozess gefunden werden.[115] Was bisher vom Grafischen Großbetrieb Interdruck in Leipzig in hervorragender Weise realisiert wurde, fand nun bei dem neuen Hauptauftragnehmer pagina GmbH in Tübingen mit Hilfe eines leistungsfähigen Textverarbeitungsprogramms (TUSTEP) seine angemessene Fortsetzung. Es galt, bei der Fortsetzung des MEGA-Projekts die modernen texterfassenden und -verarbeitenden, satz- und drucktechnischen Möglichkeiten und die sich wandelnden Lese- und Nutzungsgewohnheiten in Einklang zu bringen mit den Standards einer in Jahrhunderten herausgebildeten Buch-, Editions- und Verlagskultur, die die Gestaltungsgrundsätze der MEGA² von Beginn an geprägt hatten.[116] Die sich allgemeiner Wertschätzung erfreuende Gestalt der Ausgabe konnte auf diese Weise bei ihrer Überführung ins Computerzeitalter bewahrt werden.

Das neue technische Editions- und Herstellungskonzept war aber nicht nur darauf beschränkt, eine raschere Erscheinungsfolge gedruckter Bände zu gewährleisten, sondern zugleich die entstehenden Daten auch für andere, digitale Publikationsformen nutzbar zu machen.[117] Dazu wurden in den letzten Jahren bereits wichtige Schritte in Angriff genommen, deren zielstrebige Fortführung durch die jüngsten Entscheidungen über die Zuendeführung der MEGA² besonders an Bedeutung gewonnen hat.

5. Das Zeitalter der digitalen Edition beginnt

Mit der Entscheidung der UNESCO am 18. Juni 2013 über die Aufnahme des Kommunistischen Manifests und des ersten Bandes des Kapitals in das Weltregister des Dokumentenerbes werden diese Schlüsseltexte über Gesellschaft, Politik und Wirtschaft von globaler Wirkungsmächtigkeit nachdrücklich gewürdigt. Damit wird nicht nur die Bedeutung solcher klassischen Texte unterstrichen, sondern zugleich auf den kulturhistorischen Rang solcher Dokumente und die Notwendigkeit ihrer sorgsamen Pflege, Erschließung und Verbreitung hingewiesen. Auch für die Bemühungen um eine vollständige wissenschaftliche Edition des literarischen Erbes der beiden bedeutenden Denker Marx und Engels in einer historisch-kritischen Gesamtausgabe (MEGA) und anderen soliden Studienausgaben bedeutet dies einen neuen starken Auftrieb und Ansporn. Sie bilden die Grundlage für ihre Edition und Rezeption in vielen Sprachen und Ländern unserer Erde, die wiederum hilfreich sein können bei der Herausbildung eines modernen Menschheitsbewusstseins auf dem Weg in eine bessere Zukunft.[118]

Die Weiterführung der Marx-Engels-Werke (MEW)

Die große Popularität der MEW und die Nachfrage nach den Bänden dieser Studienausgabe, die seit 1999 von der Rosa-Luxemburg-Stiftung herausgegeben und weiterhin vom Karl Dietz Verlag betreut wird, hält weiter ungebrochen an. Trotz begrenzter Ressourcen wird daher ständig Sorge getragen, dass die Werkausgabe vollständig lieferbar bleibt. Um dies sicherzustellen, wurden seit 1999 zwölf Bände unverändert nachgedruckt[119] und seit 2006 sechs Bände bei kompletter Überarbeitung der Kommentierung auf Grundlage der MEGA-Edition neu aufgelegt.[120]

Weiterhin wurden eine Register-CD (enthält das Sachregister zu den Bänden 1-39 und zwei Bände mit Werkverzeichnissen) und eine USB-Card, die die vollständige Ausgabe mit Suchfunktionen im gesamten Textkorpus und PDF-Dateien der einzelnen Bände enthält. Damit wird die MEW schrittweise ins digitale Zeitalter hineingeführt.

Für die folgenden Jahre sind folgende Vorhaben in Aussicht genommen:

Der Ergänzungsband 44 wird erstmals ediert. Damit liegt innerhalb der MEW das 23 Hefte umfassende Manuskript „Zur Kritik der politischen Ökonomie“, das Marx 1861 bis 1863 niederschrieb, auch als zweiter Entwurf des „Kapitals“ bezeichnet, mit den Bänden 26.1-3, 43 und 44 vollständig vor.

Die Neuauflage des Bandes 3, der die „Thesen über Feuerbach“ und die „Deutsche Ideologie“ enthält, nach Erscheinen des entsprechenden MEGA-Bandes I/5. Dabei wird nicht nur die dort erfolgte Neukommentierung eingearbeitet, sondern wahrscheinlich auch ein Neusatz der Texte erforderlich werden.

Eine überarbeitete Neuauflage des Bandes 20, der Engels‘ „Anti-Dühring“ und „Dialektik der Natur“ enthält, auf der Grundlage der Veröffentlichung in den Bänden I/26 und I/27 der MEGA². Auch hier ist nicht nur die dort erarbeitete neue Kommentierung zu übernehmen, sondern auch die Überprüfung der Entzifferung und Textanordnung der Manuskripte zur „Dialektik der Natur“ dringend erforderlich.

Weiterhin könnte ein neuer Ergänzungsband 45 ins Auge gefasst werden – ein thematischer Band mit Aufsätzen von Marx und Engels zur europäischen Geschichte, die seinerzeit in der MEW-Edition bewusst unberücksichtigt geblieben waren. Vor allem geht es um zwei Arbeiten von Marx: „Geschichte der Geheimdiplomatie“ (1856/57) und „Zur Geschichte der polnischen Frage“ (Manuskripte 1863/64) sowie um ca. 100 Briefe, die erst nach Abschluss der MEW aufgefunden wurden – alles auf der Grundlage der jeweiligen Bände der MEGA².

Die Weiterführung und Vollendung der MEGA²

Ausgehend von einer positiven Evaluation der bis heute vorliegenden 65 von 114 Bänden der MEGA² im Jahr 2015 entschied die „Gemeinsame Wissenschaftskonferenz“ der Union der deutschen Akademien über ihre „Fertigstellung in neukonzipierter Form“ innerhalb einer Laufzeit von 16 Jahren. Das Ziel besteht darin, „die Ausgabe durch ein neues, den Rezeptionsgewohnheiten des 21. Jahrhunderts entsprechendes Editionskonzept sowie durch digitale Erschließungs- und Publikationsformen endgültig abzuschließen“.[121] Dazu wurde u.a. festgelegt, die noch ausstehenden zehn Bände der Abteilung I (Werke, Artikel, Entwürfe) weiterhin in gedruckter Form vorzulegen, die noch fertig zu stellenden Bände der Abteilung III (Briefwechsel) jedoch ausschließlich digital anzubieten. Von den noch unveröffentlichten Studienmaterialien (Abteilung IV) werden nur noch besonders bedeutsame Exzerpthefte in Buchform erscheinen, alle anderen in elektronischer Form zugänglich gemacht.

Die getroffene Entscheidung ist vor den Hintergrund der aktuellen Situation zu bewerten: Auf der einen Seite steht das fortdauernde gesellschaftliche Interesse an zuverlässigen Editionen, auf der anderen Seite bläst der ausgedehnten wissenschaftlichen Editionstätigkeit aufgrund knapper werdender finanzieller Ressourcen der öffentlichen Haushalte verstärkt ein wissenschaftspolitischer Gegenwind entgegen. Angesichts gescheiterter oder unabgeschlossen gebliebener Editionen wird bei der Förderung von laufenden oder neu geplanten Editionsprojekten ein immer strengerer Maßstab angelegt.


Chronologische Verzeichnung der angeführten Marx-Engels-Editionen

  • Gesammelte Aufsätze von Karl Marx. Hrsg. von Hermann Becker. H. 1. Köln 1851.
  • Aus dem literarischen Nachlass von Karl Marx, Friedrich Engels und Ferdinand Lassalle. Hrsg. von Franz Mehring. Bd. 1–4. Stuttgart 1902.
  • Karl Marx: Theorien über den Mehrwert. Aus dem nachgelassenen Manuskript „Zur Kritik der politischen Ökonomie“. Hrsg. von Karl Kautsky. Bd. 1–3. Stuttgart 1905–1910. (Internationale Bibliothek 35, 36 und 37.)
  • Der Briefwechsel zwischen Friedrich Engels und Karl Marx 1844–1883. Hrsg. von A. Bebel und Ed. Bernstein. Bd. 1–4. Stuttgart 1913.
  • Gesammelte Schriften von Karl Marx und Friedrich Engels. 1852–1862. Hrsg. von N. Rjasanoff. Bd. 1.2. Stuttgart 1917.
  • Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Bd. 1. Hrsg. von Karl Kautsky. Stuttgart 1914.
  • Archiv Marksa i Engel’sa. Tom 1-14. [Hrsg. vom] Institut Marksa-Engel’sa (-Lenina), Institut Marksizm-Leninizm pri CK KPSS. Moskva 1924–1973.
  • Marx-Engels-Archiv. Zeitschrift des Marx-Engels-Instituts in Moskau. Hrsg. von D. Rjazanov. Bd. 1.2. Frankfurt/M. 1926–1927.
  • Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Bd. 2. Hrsg. von Friedrich Engels. Volksausgabe, besorgt von Karl Kautsky unter Mitw. von Benedikt Kautsky. Berlin 1926.
  • Karl Marx, Friedrich Engels: Historisch-kritische Gesamtausgabe. Werke, Schriften, Briefe. Im Auftrage des Marx-Engels(-Lenin)-Instituts Moskau hrsg. von D. Rjazanov, ab 1931 von V. Adoratski. I. Abt.: Bd. 1–7, III. Abt.: Bd. 1–4. Frankfurt a. M. 1927; Berlin 1929–1932; Moskau-Leningrad 1933–1935. [MEGA1]
  • K. Marks i F. Engel’s: Sočinenija. 1. Izd. [Hrsg.] Institut Marksa-Engels’sa(-Lenina). Tom 1–30. Moskva 1928–1947. [Sočinenija1]
  • Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Bd. 3. Hrsg. von Friedrich Engels. Volksausgabe, besorgt von Benedikt Kautsky unter Mitw. von Karl Kautsky. Berlin 1929.
  • Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Im Zusammenhang ausgewählt und eingeleitet von Benedikt Kautsky, Bd. 1.2. Leipzig 1929 (7., verbesserte Aufl., mit einem Geleitwort von Carl-Erich Vollgraf. Stuttgart 2011).
  • Karl Marx: Der historische Materialismus. Die Frühschriften. Hrsg. von S. Landshut und J. P. Mayer, Bd. 1.2. Berlin 1932. (7. Aufl., neu eingerichtet von Oliver Heins und Richard Sperl. Mit Geleitwort von Oskar Negt. Stuttgart 2004).
  • Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Ungekürzte Ausgabe nach der zweiten Auflage von 1872. Mit einem Geleitwort zur neuen Ausgabe von Karl Korsch. Berlin 1932.
  • Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie, hrsg. von Friedrich Engels. Volksausgabe, besorgt vom Marx-Engels-Lenin-Institut Moskau. Bd. 1, Wien-Berlin 1932; Bd. 2, Wien-Berlin 1933; Bd. 3.1, Zürich, Moskau-Leningrad 1933; Bd. 3.2, Zürich 1934. (Unveränderter Nachdruck: Berlin 1947–1949.)
  • Karl Marx/Friedrich Engels: Briefwechsel. Hrsg. vom Marx-Engels-Lenin-Institut beim ZK der KPdSU. Bd. 1–4. Moskau-Leningrad 1933. (Unveränderter Nachdruck: Berlin 1949–1950.)
  • Friedrich Engels: Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft. Dialektik der Natur 1873–1882. Hrsg. vom Marx-Engels-Lenin-Institut. Moskau-Leningrad 1935.
  • Karl Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie (Rohentwurf) 1857–1858, Anhang 1850–1859. Hrsg. vom Marx-Engels-Lenin-Institut. Moskau 1939–1941. (Unveränderter Nachdruck: Berlin 1953.)
  • Karl Marx, Friedrich Engels: Ausgewählte Schriften in zwei Bänden. Hrsg. vom Marx-Engels-Lenin-Institut. Moskau-Leningrad 1933–1934. (Unveränderter Nachdruck: Berlin 1951.)
  • Karl Marx/Friedrich Engels: Ausgewählte Briefe. Hrsg. vom Marx-Engels-Lenin-Institut beim ZK der KPdSU. Moskau-Leningrad 1948. (Unveränderter Nachdruck: Berlin 1953.)
  • Friedrich Engels’ Briefwechsel mit Karl Kautsky. Hrsg. und bearb. von Benedikt Kautsky. 2. Ausg. Wien 1955 (Quellen und Untersuchungen zur Geschichte der deutschen und österreichischen Arbeiterbewegung 1.)
  • K. Marks i F. Engel’s: Sočinenija. 2. Izd. [Hrsg.vom] Institut Marksizma-Leninizma pri CK KPSS. Tom 1–50. Moskva 1955–1981. [Sočinenija²]
  • Friedrich Engels, Paul et Laura Lafargue: Correspondance. Textes récueilles, annotés et présentés par Emile Bottigelli. Vol. 1–3. Paris 1956–1959.
  • Karl Marx/Friedrich Engels: Werke. Hrsg. vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Bd. 1–39, Erg.-Bd. 40–43, Gesamtsachregister Bd. 1–39. Berlin 1956ff. [MEW]
  • Karl Marx: Werke, Schriften, Briefe. Studienausgabe in sieben Bänden. Hrsg. von Hans-Joachim Lieber. I und II: Frühe Schriften. III: Politische Schriften (in 2 Halbbänden). IV–VI: Das Kapital, Bd. 1–3. Stuttgart 1960–1964.
  • Wilhelm Liebknecht: Briefwechsel mit Karl Marx und Friedrich Engels: Hrsg. und bearb. von Georg Eckert. The Hague 1963. (Quellen und Untersuchungen zur Geschichte der deutschen und österreichischen Arbeiterbewegung 5.)
  • August Bebels Briefwechsel mit Friedrich Engels. Hrsg. von Werner Blumenberg. The Hague 1965. (Quellen und Untersuchungen zur Geschichte der deutschen und österreichischen Arbeiterbewegung 6.)
  • Karl Marx, Friedrich Engels: Studienausgabe in vier Bänden. Hrsg. von Iring Fetscher. I: Philosophie. II: Politische Ökonomie. III: Geschichte und Politik.1. Schriften zur Geschichte der Arbeiterbewegung. IV: Geschichte und Politik. 2. Abhandlungen und Zeitungsaufsätze zur Zeitgeschichte. Frankfurt/M. 1966.
  • Freiligraths Briefwechsel mit Marx und Engels. Bearb. und eingel. von Manfred Häckel. Teil 1-2. Berlin 1968.
  • Eduard Bernsteins Briefwechsel mit Friedrich Engels. Hrsg. von Helmut Hirsch. Assen 1970. (Quellen und Untersuchungen zur Geschichte der deutschen und österreichischen Arbeiterbewegung. Neue Folge 1.)
  • Karl Marx/Friedrich Engels: Ausgewählte Werke in sechs Bänden. Hrsg. vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Bd. 1–6, Registerbd. Berlin 1970–1975.
  • Karl Marx/Friedrich Engels: Gesamtausgabe (MEGA). Hrsg. vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU und vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, ab 1991 von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung Amsterdam. Editionsgrundsätze und Probestücke (1972); Abt. I: Werke, Artikel, Entwürfe: Bd. 1–3, 7, 10–14, 18, 20–22, 24–27, 29–32; Abt. II: „Das Kapital“ und Vorarbeiten: Bd. 1–15 (abgeschlossen); Abt. III: Briefwechsel: 1–13, 30; Abt. IV: Exzerpte, Notizen, Marginalien: Bd. 1–9, 12, 26, 31, 32; Marginalien-Probestücke (1983). Berlin 1975ff. [MEGA²]
  • Editionsrichtlinien der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA). Hrsg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung Amsterdam. Editionsrichtlinien (1992); Hinweise für die Anwendung der Editionsrichtlinien (1992); Dokumentation: Editions- und Redaktionsrichtlinien (1976–1984). Berlin 1993.
  • Marx-Engels: Collected Works. Vol. 1–50. Moscow (bis 1990), London, New York 1975–2004. [MECW]

Fußnoten

 

[1] Ulfert Rickless: Anmerkungen zum Projekt einer historisch-kritischen Gesamtausgabe der Werke und Briefe von Ludwíg Achim von Armin. In: editio 1/1987, S. 210.

[2] Diese Entwicklungen werden in den Beiträgen der Sammelbände Texte und Varianten. Probleme ihrer Edition und Interpretation, hrsg. von Gunter Martens und Hans Zeller, München 1971, und Text und Edition. Positionen und Perspektiven, Berlin 2000, ausführlich dargestellt.

[3] Folgendes Beispiel aus der Geschichte der Marx-Engels-Edition soll dies verdeutlichen: Für das Verstehen einer neuen wissenschaftlichen Theorie ist ihr erstes Aufblitzen, der Moment ihrer Abnabelung von bisher Gedachtem von besonderer Bedeutung. Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie von 1843 jedoch erscheint erstmals 1927, die Ökonomisch-philosophischen Manuskripte von 1844 und die Deutsche Ideologie von 1845 kann man erst (mit redaktionellen Eingriffen) seit 1932 studieren. Und als diese drei für das Verständnis der eigenständigen Denkansätze von Marx unerlässlichen Werke endlich publiziert waren, verhinderten Weltwirtschaftskrise, Stalinismus, Faschismus und Zweiter Weltkrieg eine auch nur halbwegs ruhige wissenschaftliche Rezeption. Erst in den 1950er Jahren machte die Beschäftigung mit dem Frühwerk von Marx regelrecht Furore, allerdings wurde durch eine sinnlose Konfrontation des ‚jungen’ mit dem ‚alten’ Marx das Verständnis ihrer wirklichen Bedeutung nicht nur methodologisch verbaut. Auch das hatte angesichts der zwei sich feindlich gegenüberstehenden Weltlager vor allem politisch-ideologische Gründe. So wurden die Ökonomisch–philosophischen Manuskripte zunächst auch nicht in die MEW aufgenommen, sondern erst 1968 in einem Ergänzungsband publiziert. Die außerordentlich umfang- und aufschlussreichen Studienmaterialien von Marx und Engels aus dieser frühen Zeit stehen sogar erst seit ihrer erstmaligen Veröffentlichung in den Bänden 1 bis 6 der IV. Abteilung der MEGA² für die wissenschaftliche Nutzung zur Verfügung.

[4] Siehe Martin Hundt: Einige historische Besonderheiten der Entwicklung des Begriffs „Marxsches Werk“. In: Beiträge zur Marx-Engels-Forschung. Neue Folge (im weiteren BzMEF.NF) 1993, S. 64–71.

[5] Heutzutage geschieht es allerdings kaum noch in der Form, dass ein führender Politiker oder Repräsentant des Staates seinen ‚Dispositionsfonds’ öffnet, um eine Edition zu fördern, wie es z.B. Kaiser Wilhelm 1881 per Kabinettsorder mit einer Starthilfe von 40.000 Reichsmark für die Weimarer Lutherausgabe getan hat. Dass mit dieser ‚Spende’ angesichts des damaligen Kulturkampfes Erwartungen an eine nationalprotestantische Zielsetzung der Ausgabe verknüpft waren, bedarf keiner besonderen Erwähnung.

[6] Siehe Bodo Plachta, H.T.M. van Vliet: Überlieferung, Philologie und Repräsentation. Zum Verhältnis von Editionen und Institutionen. In: Text und Edition. Positionen und Perspektiven. Berlin 2000, S. 11–35, bes. S. 11–14.

[7] Siehe Dirk Göttsche: Ausgabetypen und Ausgabennutzer. In: Ebenda, S. 37–63, bes. S. 37–39.

[8] Siehe Richard Sperl: Die Marx-Engels-Werkausgabe in deutscher Sprache (MEW). Eine editorische Standortbestimmung. In: BzMEF.NF, Sonderbd. 5/2006, S. 207–251, bes. S. 207–213.

[9] Dabei wird kaum beachtet, dass mehr als ein Dutzend ihrer Werke und Schriften sowie hunderte Artikel nicht in Partei-, sondern in ‚bürgerlichen’ Verlagen und Periodika erschienen sind. Der Hauptgrund dafür lag nicht, wie gern behauptet, in zeitbedingten Schwierigkeiten der Parteiverlage, sondern vor allem darin, dass Marx’ und Engels’ antikapitalistische Kritik zum Kontext der bürgerlichen Gesellschaft gehört.

[10] Die Marx-Engels-Edition war „auf das engste mit politischen Bewegungen verbunden, die sich als Erben des Vermächtnisses zweier Autoren verstanden: vor dem Ersten Weltkrieg mit der damals verfolgten, um die politische Macht kämpfenden Sozialdemokratie, später mit der zunächst nur in Russland, dann – nach 1945 – auch in einer Reihe weiterer Länder an die Macht gekommenen kommunistischen Bewegung.“ Sie stand unter der Prämisse, „dass deren Schriften – und insofern auch die Nachlass–, Werk– und wissenschaftlichen Gesamtausgaben – immer auch den Zielen der sich als marxistisch definierenden Parteien zu dienen hatten.“ Jürgen Rojahn: Edition im Spannungsfeld von Politik und Wissenschaft (Marx/Engels). In. Die Funktion von Editionen in Wissenschaft und Gesellschaft. Ringvorlesung des Studiengebietes an der Freien Universität Berlin. (Berliner Beiträge zur Editionswissenschaft. 3.) Berlin 1998, S. 181.

[11] Siehe Editionen in den Sozialwissenschaften. In: Buchstabe und Geist. Hamburg 1987, S. 215–230, bes. S. 215–218; Prospekt der Max-Weber-Gesamtausgabe. Tübingen 1981, bes. S. 4, 12/13; Rolf Fechner: Das Projekt einer sozialwissenschaftlichen Edition. Konzeptionelle, methodische und organisatorische Überlegungen zur Ferdinand-Tönnies-Gesamtausgabe. Hamburg 1994, bes. S.10–13, 66–78.

[12] Siehe Martin Hundt: Gedanken zur bisherigen Geschichte der MEGA. In: BzMEF.NF 1992, S. 56–66.

[13] „Die MEGA ist im wahrsten Wortsinne ein Säkularunternehmen, und ihr Anfang, ihr Scheitern und ihr Wiedererstehen spiegeln geradezu paradigmatisch die geschichtlichen Tragödien des 20. Jahrhunderts wider.“ Hans Martin Lohmann: Säkulares Unternehmen. Ein überfälliger Akt historischer Gerechtigkeit: Fortsetzung der Marx/Engels Gesamtausgabe. In: Die Zeit, 25. Februar 1999, S. 52.

[14] Siehe dazu u.a. Hans-Peter Harstick: Von der Geschichtsmächtigkeit von Werk und Wirkung zur historisch–kritischen Gesamtausgabe. Was bleibt von Karl Marx am Ausgang des Jahrhunderts? In: Vision und Verantwortung. Herausforderungen an der Schwelle zum neuen Jahrtausend. Festschrift für Manfred Bodin. Hildesheim 1999, S. 53–69.; Jürgen Rojahn: Edition im Spannungsfeld von Politik und Wissenschaft (Marx/Engels). In: Funktion von Editionen in Wissenschaft und Gesellschaft. A.a.O., S. 133–204; Rolf Dlubek: Die Entstehung der zweiten Marx-Engels-Gesamtausgabe im Spannungsfeld von legitimatorischem Auftrag und editorischer Sorgfalt. In: MEGA-Studien 1994/1, S. 60–106; Hans-Jörg Sandkühler: Geschichtlicher Raum und gesellschaftliche Zeit des Marxismus – K. Marx, F. Engels, MEW, MEGA. In: Marxistische Studien. Jahrbuch des IMSF 1987/2, S. 11–26; Martin Hundt: Gedanken zur bisherigen Geschichte der MEGA. A.a.O., S. 56–66; Werner Schuffenhauer: Karl Marx und die philosophischen Quellen des Marxismus im Spiegel der Marx-Engels-Edition. In: Buchstabe und Geist. Zur Überlieferung und Edition philosophischer Texte. Hamburg 1987, S. 147–157.

[15] Siehe Editio 17/2003, S. 191.

[16] Gesammelte Aufsätze von Karl Marx. Hrsg. von Hermann Becker. H. 1. Köln 1851.

[17] Siehe Engels an Marx, 27. April 1867, Marx an Engels, 3. März 1869 und Engels an Wilhelm Liebknecht, 12. Februar 1873. In: MEW 31, S. 293, 32, S. 268 und 33, S. 567.

[18] Engels an Richard Fischer, 15. April 1895. In: MEW 39, S. 467.

[19] Siehe u.a. Engels an Karl Kautsky, 28. Januar 1889, an Wilhelm Liebknecht, 18. Dezember 1890 und an Karl Kautsky, 29. Juni 1891. In: MEW 37, S. 143/144, 547 und 38, S. 125/126.

[20] Aus dem literarischen Nachlass von Karl Marx, Friedrich Engels und Ferdinand Lassalle. Hrsg. von Franz Mehring. Bd. 1–4. Stuttgart 1902. Im Vorwort heißt es: „Eine wissenschaftliche Gesamtausgabe der Schriften, die Karl Marx und Friedrich Engels hinterlassen haben, wäre eine so wünschenswerte Sache, wie sie in absehbarer Zeit eine unmögliche Sache ist. Für ihre würdige Herstellung ist noch eine Reihe von Vorarbeiten notwendig, die von keinem einzelnen, und selbst von mehreren nicht binnen kurzer Frist erledigt werden können.“ (Bd. 1, S. VII.)

[21] Siehe Hans-Joachim Blank: Zur Entstehungs- und Editionsgeschichte der Marxschen Dissertation. In: BzMEF.NF 2016 (in Vorbereitung).

[22] Karl Marx: Theorien über den Mehrwert. Aus dem nachgelassenen Manuskript „Zur Kritik der politischen Ökonomie“. Hrsg. von Karl Kautsky. Bd. 1–3. Stuttgart 1905–1910. (Internationale Bibliothek 35, 36 und 37.)

[23] Siehe Christel Sander: Die Edition der „Theorien über den Mehrwert“. In: Der zweite Entwurf des „Kapitals“. Berlin 1983, S. 310–332.

[24] Der Briefwechsel zwischen Friedrich Engels und Karl Marx. 1844–1883. Hrsg. von A. Bebel und Ed. Bernstein. Bd. 1–4. Stuttgart 1913.

[25] Siehe u.a. MEGA² III/9, S. 661–666; III/10, S. 637–639.

[26] Jürgen Rojahn: Aus der Frühzeit der Marx-Engels-Forschung: Rjazanovs Studien in den Jahren 1907–1917 im Lichte seines Briefwechsels im IISG. In: MEGA-Studien 1996/1, S. 3–6. 26–28.

[27] Götz Langkau: Marx–Gesamtausgabe – dringendes Parteiinteresse oder dekorativer Zweck? Ein Wiener Editionsplan zum 30. Todestag. Briefe und Auszüge. In: International Review of Social History 28/1983, bes. S. 126–129.

[28] Siehe Jürgen Rojahn: Aus der Frühzeit ..., a.a.O., S. 54–56; hier auch die archivalischen Quellennachweise der angeführten Zitate.

[29] Siehe ebenda, S. 57–58; hier auch die archivalischen Quellennachweise der angeführten Zitate.

[30] „Ein bedeutsamer Teil des Marxschen Lebenswerkes (ist) neu erschlossen [...]. Allerdings ein Teil nur. Denn dreieinhalb Jahrzehnte nach dem Tode von Marx und mehr als 20 Jahre nach dem Hinscheiden von Engels fehlt uns noch immer eine vollständige Ausgabe ihrer Werke.“ (O. Jenssen: [Rezension zu:] Gesammelte Schriften von Karl Marx und Friedrich Engels. 1852–1862. In: Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung (Leipzig) 8/1919, S. 461.

[31] Siehe David Borisovič Rjazanov und die erste MEGA. In: BzMEF.NF, Sonderband 1/1997, bes. S. 7–27, 36–50, 108–124; vgl. auch Siegfried Bahne: Zur Geschichte der ersten Marx-Engels-Gesamtausgabe. In: Arbeiterbewegung und Geschichte. Trier 1983, S. 146–165. (Schriften aus dem Karl–Marx–Haus 29.)

[32] Siehe Rolf Hecker: Erfolgreiche Kooperation: Das Frankfurter Institut für Sozialforschung und das Moskauer Marx-Engels-Institut (1924–1928). In: BzMEF.NF Sonderband 2/ 2000, bes. S. 9–118 sowie S. 130–425 (Abdruck der Korrespondenz); Thomas Kuczynski: Anfang und Ende der ersten Marx-Engels-Gesamtausgabe. In: Utopie kreativ, H. 140, Juni 2002, S. 545–561.

[33] MEGA1 I/1, Vorwort, S IX.

[34] Allerdings war es für sie nicht opportun, darauf öffentlich hinzuweisen, da die doktrinären Parteiideologen der KPdSU die Editionsphilologie als „bürgerliche Verirrung“ verteufelten.

[35] Siehe Richard Sperl: Probleme der Autorschaft, Autorisation und Authentizität bei der historisch–kritischen Edition der publizistischen Texte von Marx und Engels. In: editio 16/2002, S. 86–104. [Wiederabdruck in „Edition auf hohem Niveau“ (siehe Anm. 78), S. 140–160.]

[36] Gelij Borisovič Kovgankin: Das Entziffern der Manuskripte aus dem Nachlass von Karl Marx und Friedrich Engels. In: MEGA-Studien 1994/2, S. 81–100.

[37] Rolf Hecker: Rjazanovs Editionsprinzipien der ersten MEGA. In: BzMEF.NF Sonderband 1/1997, S. 25. – Diese konsequente Verfahrensweise dürfte mancher Benutzer als einen gewissen Mangel empfunden haben. Die Parteiführung, die die MEGA vor allem für ihre politisch–ideologische Arbeit nutzen wollte, sah darin wohl eher einen Grund, diese Edition rasch zu beenden.

[38] Siehe Auszüge aus Rezensionen. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe. Prospekt 1932, S. 16/17; Rjazanov und die erste MEGA, a.a.O., S. 19/20.

[39] Siehe Stalinismus und das Ende der ersten Marx-Engels-Gesamtausgabe. BzMEF.N. Sonderband. 3/2001, bes. S. 13–180.

[40] Siehe ebenda, bes. S. 181–269. Auch diese Bände wurden anerkennend rezensiert, so in der Zeitschrift für Sozialforschung (Jg. 1932/33), wo von „textwissenschaftlichen und bibliographischen Vorzügen“, von einer „bedeutenden herausgeberischen Leistung“ gesprochen und an den „verdienstvollen und kenntnisreichen Rjazanov“ erinnert wurde. Ebenda, S. 204.

[41] Siehe z.B. Benedikt Kautsky: Die Marx-Engels-Gesamtausgabe. In: Die Gesellschaft, 7/1930, Bd. 2, S. 261f.

[42] Paul Weller: Zur Edition der Exzerpte in der MEGA (1935). In: BzMEF.NF 1994, S. 201.

[43] Der Reprint erschien im Verlag Detlef Auvermann, Glashütten in Taunus.

[44] Karl Marx: Das Kapital. Bd. 2. Volksausgabe. Besorgt von Karl Kautsky unter Mitwirkung von Benedikt Kautsky Berlin 1926; Bd. 3. Besorgt von Benedikt Kautsky unter Mitwirkung von Karl Kautsky. Berlin 1929. Band 1 dieser Edition war bereits 1914 von Kautsky unter Mithilfe von Rjazanov publiziert worden.

[45] Carl-Erich Vollgraf: Editionen im Wind ihrer Zeit: die Volksausgaben von Band III des Kapital durch Kautsky 1929 und das Moskauer IMEL 1933. In: BzMEF.NF 1998, S. 61–96.

[46] Carl-Erich Vollgraf: Editionen im Wind ihrer Zeit. Ebenda., S. 83.

[47] Erst nach 1945 konnten die Moskauer Kapital- und Briefwechsel-Ausgabe in der DDR in hohen Auflagen unter Weglassung der Vorworte des IMEL nachgedruckt werden (1947–1951).

[48] Rolf Hecker: Die Verhandlungen über den Marx-Engels-Nachlass 1935/36. Bisher unbekannte Dokumente aus den Moskauer Archiven. In: MEGA-Studien 1995/2, S. 3–25.

[49] Paul Mayer: Die Geschichte des sozialdemokratischen Parteiarchivs und das Schicksal des Marx-Engels-Nachlasses. In: Archiv für Sozialgeschichte 6/7 1966/67, S. 5–198.

[50] Siehe Hans-Peter Harstick: Zum Schicksal der Marxschen Privatbibliothek. In: International Review of Social History 18/1973, Part 2, S. 202–222; MEGA² IV/32, Einführung, bes. S. 66–73.

[51] Siehe Larisa Mis’kevič: Wie kamen ökonomische Manuskripte von Marx nach Moskau? In: Marx-Engels-Jahrbuch 2012/13, Berlin 2013, S. 7–21; Jürgen Rojahn: Der Schattenmann: Wer war Marek Kriger? In: Ebenda, S. 22–45.

[52] MEGA1 I/1, Vorwort, S. XXII.

[53] Siehe Stalinismus und das Ende der ersten Marx-Engels-Gesamtausgabe. A.a.O, bes. S. 236–269.

[54] Siehe Martin Hundt: Die Erforschung der Geschichte der ersten MEGA – ein anregendes Studienfeld für Marx-Engels-Editoren. In: BzMEF.NF 2014/15, S. 231–236.

[55] Siehe Rolf Hecker: Marx/Engels-Dokumente dem „IMEL zugeführt“. Zur Requirierungsaktion des Moskauer Marx-Engels-Lenin-Instituts 1945/46. In: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Berlin, 3/1997, S. 68–81.

[56] Siehe Rolf Hecker, Martine Dalmas: Marx-Dokumente aus dem Longuet-Nachlass in Moskau. In: Die Marx-Engels-Werkausgaben in der UdSSR und DDR (1945–1968). Hamburg 2006 (Beiträge zur Marx-Engels-Forschung. Neue Folge. Sonderband 5), S. 171–206.

[57] Siehe Günter Benser: Als das Tor aufgestoßen wurde. Vorleistungen und Schranken für die Marx-Engels-Edition der Nachkriegsjahre. In: BzMEF.NF Sonderband 5/2006, S. 57–82.

[58] Siehe Larisa Romanovna Mis’kevič: Die zweite russische Marx-Engels-Werkausgabe (Sočinenija). Ihre Prinzipien und Besonderheiten. In: BzMEF.NF Sonderband. 5/2006, S. 141–169.

[59] Ebenda, S. 141 (RGASPI, f. 71, op. 7, d. 5. Bl. 95, 96.)

[60] Siehe ebenda, S. 142–146.

[61] Siehe Richard Sperl: Die Marx-Engels-Werkausgabe in deutscher Sprache (MEW). Eine editorische Standortbestimmung. In: BzMEF.NF Sonderband. 5/2006, S. 207–257.

[62] „Unsere Aufgabe sehen wir darin, gemäß dem Beschluß des ZK der SED dafür Sorge zu tragen, das Lebenswerk der Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus in kürzester Frist und größtmöglicher Vollständigkeit dem deutschen Volke vorzulegen. Eine historisch–kritische Gesamtausgabe bedarf viel umfangreicherer Vorarbeiten hinsichtlich der Bearbeitung und Kommentierung des vorgefundenen Materials und erfordert viel Zeit. Unsere Ausgabe hält sich in engen Grenzen.“ (MEW 2, Vorwort, S. IX, X.)

[63] Siehe Winfried Woesler: Die Praxis des germanistischen Kommentars in der DDR. In: Probleme der Kommentierung. Kolloquien der Deutschen Forschungsgemeinschaft 1970 und 1972. Bonn–Bad Godesberg 1975, S.145–181; Siegfried Scheibe: Diskussionen zu Theorie und Praxis der Edition. Aufgaben der germanistischen Textologie in der DDR. In: Zeitschrift für Germanistik 4/1981, S.453–363; ders.: Zum Verhältnis der Edition/Textologie zu den Gesellschaftswissenschaften. In: Weimarer Beiträge 1/1987, S. 158–166.

[64] Siehe dazu u.a. SAPMO DY 39/IV A2/9.07, Nr. 95, 101 und 106.

[65] Siehe Richard Sperl: Die Marx-Engels-Werkausgabe ... A.a.O., S.214/215.

[66] Noch 1985 heißt es in einer Richtlinie für die Bibliothek deutscher Klassiker: „Texte aus dem Zeitraum 1700–1900 werden im Regelfall orthographisch modernisiert, d.h. der jetzigen Schreibweise angepasst In den Lautstand wird nicht eingegriffen.“ Durch die jüngste Rechtschreibreform von 1996 samt den noch gefolgten Änderungen sind allerdings solche Modernisierungen faktisch auch schon wieder veraltet. Damit wurde die Geschichtlichkeit orthographischer Regeln so drastisch vor Augen geführt, dass immer mehr die Bewahrung historischer Orthographie und Interpunktion angestrebt wird.

[67] Engels an Eduard Bernstein, 1. Januar 1886.

[68] „Das gründliche Studium der Werke von Marx und Engels wird helfen, hemmende Erscheinungen in der Arbeit und veraltete Anschauungen zu überwinden, die ideologische Offensive gegen die reaktionäre bürgerliche Ideologie zu verstärken und durch eigene schöpferische Leistungen zum weiteren Vormarsch des Marxismus–Leninismus beizutragen.“ (MEW 1, Vorwort 1956, S. X.) Die 13. Auflage von MEW 1 erschien 1981 in überarbeiteter Fassung (auf der Grundlage der MEGA²); die 16. überarbeitete Auflage 2006 mit neuem redaktionellen Vorwort von Richard Sperl und Rolf Hecker.

[69] „Auf den Bücherborden interessierter Forscher und Studenten findet man meist die blauen Bände der Ostberliner Marx-Engels-Ausgabe (MEA), die auch bei uns ohne Schwierigkeiten für etwa 10 Mark pro Band zu haben ist“, stellte die Stuttgarter Zeitung am 17. April 1965 fest.

[70] Karl Marx: Werke, Schriften, Briefe. Studienausgabe in sieben Bänden. Hrsg. von Hans–Joachim Lieber. Stuttgart 1960–1964.

[71] Karl Marx, Friedrich Engels: Studienausgabe in vier Bänden. Hrsg. von Iring Fetscher. Frankfurt a.M., Hamburg 1966. (Neuausgabe in 5 Bänden, Berlin 2004) Siehe auch Iring Fetscher: Karl Marx, Friedrich Engels: Studienausgabe. Überlegungen zur Zusammensetzung der Texte in der Studienausgabe in vier Bänden und ihrer Erweiterung in der Neuausgabe in fünf Bänden 2004. In: BzMEF.NF 2006, S. 463–469.

[72] Siehe Richard Sperl: Die Marx-Engels-Werkausgabe ...A.a.O., S. 244–246.

[73] Die bis 1989 erschienenen Bände erlebten im Durchschnitt 4–5 Auflagen, d.h. pro Band wurden 60 bis 80 Tausend Exemplare verkauft, insgesamt rund 3,5 Millionen Bände. Sie wurden zudem in rund 30 Länder exportiert, pro Band im Durchschnitt 1.500 Exemplare, allein nach Japan zwischen 500 und 600 Exemplare pro Band.

[74] Hans–Martin Lohmann: Säkulares Unternehmen. Ein überfälliger Akt historischer Gerechtigkeit. In: Die Zeit, 25. Februar 1999; siehe auch Rolf Dlubek: Frühe Initiativen zur Vorbereitung einer neuen MEGA (1955–1958). In: BzMEF.NF 1992, S. 43–55; ders.: Tatsachen und Dokumente aus einem unbekannten Abschnitt der Vorgeschichte der MEGA² (1961–1965). In: BzMEF.NF 1993, S.41–63; ders.: Die Entstehung der zweiten Marx-Engels-Gesamtausgabe ...A.a.O., S. 60–106.

[75] Siehe Martin Hundt: Gedanken zur bisherigen Geschichte der MEGA. A.a.O. S. 56.

[76] Carl-Erich Vollgraf: Die Kommentierung – Achillesferse der zweiten MEGA? In: BzMEF.NF 1992, S. 5–20; ders.: Nochmals zu Kommentierung in der zweiten MEGA. Fallstudien. In: BzMEF.NF 1993, S. 69–81; Jürgen Jungnickel: Einige Bemerkungen zu den Registern in der MEGA. In. BzMEF.NF 1992, S. 43–55.

[77] Einen informativen Überblick darüber geben die Beiträge in dem Sammelband: Texte und Varianten. Probleme ihrer Edition und Interpretation. Hrsg. von Gunter Martens und Hans Zeller. München 1971; weiterhin Gerhard Seidel: Bertolt Brecht. Arbeitsweise und Edition. Berlin 1977, sowie Aufsätze von Friedrich Beißner, Dietrich Germann, Ernst Grumach, Siegfried Scheibe, Hans Werner Seiffert, Manfred Windfuhr, Georg Wittkowski, Hans Zeller.

[78] Siehe Richard Sperl: Zu einigen theoretisch-methodischen Grundsatzfragen der MEGA–Editionsrichtlinien. In: BzMEF.NF 1991, S. 144–165. Weitere acht Beiträge zu diesem Thema sind zusammengefasst in dem Sammelband „Edition auf hohem Niveau“. Zu den Grundsätzen der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA). Berliner Verein zur Förderung der MEGA-Edition e.V.: Wissenschaftliche Mitteilungen H. 5/2004, 215 S.

[79] Dies wurde durch das Scheitern der Bemühungen von Maximilien Rubel, eine große Marx-Jubiläums-Edition auf den Weg zu bringen, erneut deutlich. Siehe Maximilien Rubel: Marx Jubiläums Edition (MJE) 1883–1983. In: Etudes de marxologie 1986, S. 12–26. Auch für Rubel präsentierte sich die MEGA² im Ganzen „in einer vom philologischen Gesichtspunkt her vorbildlichen Weise“ (S. 12).

[80] Siehe Jürgen Rojahn: Und sie bewegt sich doch! Die Fortsetzung der Arbeit an der MEGA unter dem Schirm der IMES. In: MEGA-Studien 1994/1, S. 5–31; ders.: Edition im Spannungsfeld von Politik und Wissenschaft. A.a.O., S.133–204.

[81] Siehe Rolf Dlubek: Die Entstehung der zweiten Marx-Engels-Gesamtausgabe ... A.a.O., S. 87–94. Die Gutachten sind archiviert im Archiv der MEGA–Arbeitsstelle an der Berlin–Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.

[82] Siegfried Scheibe: Zu den Editionsgrundsätzen der MEGA. In: BzMEF.NF 2000, S. 15.

[83] Hans Zeller: [Rezension zum Probeband der MEGA]. In: Germanistik 14/1973, S. 335.

[84] Siehe u.a. Martin Sass: Editionsgrundsätze der neuen Marx-Engels-Gesamtausgabe: In: Neue Züricher Zeitung, 11. August 1974, S. 40.

[85] Vgl. auch Karl-Heinz Hahn/Helmut Holtzhauer: Wissenschaft auf Abwegen? In: forschen und bilden. 1/1966, S. 2–22, wo dies als Ausfluss des „bürgerlichen“ Historismus und Positivismus denunziert worden war.

[86] Siehe Richard Sperl: Zur Darbietung der autorisierten Textentwicklung in den Variantenverzeichnissen der MEGA. In: BzMEF.NF 6/1980, S. 95–100; ders.: Die Darstellung der autorisierten Textentwicklung in den Werken von Marx und Engels im Variantenverzeichnis der MEGA. In: Marx-Engels-Jahrbuch 5, Berlin 1982, S. 157–214.

[87] Siehe Rolf Dlubek: Die Entstehung der zweiten Marx-Engels-Gesamtausgabe ... A.a.O., S. 89/90.

[88] Richard Sperl: Textkritik – Kritik an Marx? Über historische, theoretische und praktische Aspekte der Textkritik in der Marx-Engels-Edition. In: „Edition auf hohem Niveau“ (siehe Anm. 78), S. 88–103, bes. S. 96/97; ders.: Die Marx-Engels-Werkausgabe in deutscher Sprache. A.a.O., S. 229–231.

[89] Siehe u.a. Hans–Georg Backhaus, Helmut Reichelt: Der politisch-ideologische Grundcharakter der Marx-Engels-Gesamtausgabe: eine Kritik der Editionsrichtlinien der IMES. In: MEGA-Studien 1994/2, S. 101–118.

[90] Siehe Michael Heinrich: Edition und Interpretation. Zu dem Artikel von Backhaus und Reichelt. In: MEGA-Studien 1995/2, S. 111–121; Richard Sperl: Die Marx-Engels-Gesamtausgabe: Editorische Konsequenzen literarischer Zusammenarbeit zweier Autoren. In: Literarische Zusammenarbeit. Tübingen 2001, S. 141–156. [Wiederabdruck in „Edition auf hohem Niveau“ (siehe Anm.76), S. 13–33.]

[91] Siehe Richard Sperl: Widerspricht die Abteilungsgliederung der Marx-Engels-Gesamtausgabe dem chronologischen Grundprinzip? In: „Edition auf hohem Niveau“ (siehe Anm. 78), S. 53–67; Gerald Hubmann, Herfried Münkler, Manfred Neuhaus: ... es kömmt darauf an sie zu verändern“. Zur Wiederaufnahme der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA). In. Deutsche Zeitschrift für Philosophie, S. 304.

[92] Siehe Richard Sperl: Probleme der Autorschaft, Autorisation und Authentizität bei der historisch-kritischen Edition der publizistischen Texte von Marx und Engels. In: editio 16/2002, S. 86–104. [Wiederabdruck in „Edition auf hohem Niveau“ (siehe Anm. 78), S. 140–160.]

[93] Siehe Richard: Die editorische Dokumentation von Übersetzungen in der Marx-Engels-Gesamtausgabe. In: editio 14/2000, S. 54–71. [Wiederabdruck in „Edition auf hohem Niveau“, (siehe Anm. 78), S. 161–184.]

[94] Siehe Rolf Dlubek: MEGA-Briefedition und Marx-Engels-Verständnis an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. In: BzMEF.NF 2000, S. 17–38.

[95] Sie konnte sich dabei vor allem auf wissenschaftliche Editionen des Briefwechsels mit einzelnen Persönlichkeiten (vor allem gefördert durch das IISG) stützen. Hier sind vor allem zu nennen: Engels’ Briefwechsel mit Karl Kautsky (1955), die Korrespondenz zwischen Engels und Paul und Laura Lafargue (1956–1959), Wilhelm Liebknechts Briefwechsel mit Marx und Engels (1963), August Bebels Briefwechsel mit Engels (1965), Eduard Bernsteins Briefwechsel mit Engels (1970) und last not least die historisch–kritische Edition des Briefwechsels von Ferdinand Freiligrath mit Marx und Engels (1968).

[96] Siehe Richard Sperl: Die Vierte Abteilung (Exzerpte, Notizen, Marginalien) – immanenter Bestandteil oder bloßes Additivum der Marx-Engels-Gesamtausgabe? In: „Edition auf hohem Niveau“ (siehe Anm. 78), S. 68–87.

[97] Jürgen Rojahn: Und sie bewegt sich doch! A.a.O., S. 12.

[98] Siehe Richard Sperl: Die Marginalien in den Büchern aus den persönlichen Bibliotheken von Marx und Engels: ihr Stellenwert für biographische und wissenschaftsgeschichtliche Forschungen – Möglichkeiten und Grenzen ihrer Edition. In: editio 9/1995, S. 141–168. [Wiederabdruck in „Edition auf hohem Niveau“ (siehe Anm. 78), S. 185–215, bes. S. 200–208.]

[99] Siehe Martin Hundt: Gedanken zur bisherigen Geschichte der MEGA. A.a.O., S. 58.

[100] Folgende MEGA²-Bände erschienen bis Ende 1992, herausgegeben von der IMES, mit dem Vermerk: „Der vorliegende Band wurde noch unter der früheren Redaktionskommission erarbeitet“: II/10 (1991), IV/9 (1991), II/.4.2 (1992), I/20 (1992).

[101] Siehe Günter Benser. Die MEGA-Kommission an der Akademie der Wissenschaften der DDR und der Verein MEGA-Stiftung Berlin e.V. In: Ders.: Aus per Treuhand-Bescheid. Berlin 2013, S. 63–68.

[102] Jürgen Rojahn: Und sie bewegt sich doch! A.a.O., S. 5–31; Gerald Hubmann, Herfried Münkler, Manfred Neuhaus: „… es kömmt darauf an sie zu verändern“. A.a.O., S. 299–311.

[103] Nicht ohne Wirkung blieb auch ein Brief der deutschen Mitarbeiter an Bundeskanzler Helmut Kohl, dessen Kernsatz gelautet haben soll: Soll es später einmal heißen, die erste MEGA ging an Stalinismus und Faschismus unter, die zweite an der deutschen Wiedervereinigung?

[104] Dieter Henrich: Die Marx-Engels-Gesamtausgabe in der Akademieforschung. In. Akademie-Journal. Mitteilungsblatt der Konferenz deutscher Akademien der Wissenschaften 2/1993, S. 20.

[105] Diese neue Verfahrensweise wird besonders in der konsequenten Abfolge und Darbietung der Manuskripte und Drucke zur „Deutschen Ideologie“ in dem demnächst erscheinenden Band I/5 deutlich. Siehe dazu auch Inge Taubert: Manuskripte und Drucke der „Deutschen Ideologie“ – Probleme und Ergebnisse. In: MEGA-Studien 2/1997, S. 5–31; dieselbe: Die Überlieferungsgeschichte der Manuskripte der „Deutschen Ideologie“ und die Erstveröffentlichungen in der Originalsprache. Ebenda, S. 32–48; siehe auch Jürgen Rojahn: Die Marxschen Manuskripte aus den Jahren 1844 in der neuen Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA). In: Archiv für Sozialgeschichte 25, 1985, S. 647–663; Vorabveröffentlichung des Kapitels „Feuerbach“ im Marx-Engels-Jahrbuch 2003.

[106] Die bisherige Unterscheidung von „schöpferischen“ und „formalen“ Autorkorrekturen, wonach die letzteren nicht zu verzeichnen waren, wurde damit aufgehoben. Dagegen waren mehrfach Bedenken erhoben worden, so u.a. in einem Gutachten des IISG, worin es heißt: „Die Absicht, den Variantenapparat zu entlasten, ist bei einiger Kenntnis vor allem Marxscher Manuskripte verständlich. Bleibt zu fragen: (1) Wiegt dieser Vorteil auf gegen die Einführung eines für den Benutzer nicht kontrollierbaren Elements der Subjektivität? (2) Können die Herausgeber angesichts der Dauer des Projekts und des Umfangs des Bearbeiterkollektivs annähernde Kontinuität und Einheitlichkeit in der Hantierung der nicht formalisierbaren Entscheidungskriterien in allen Einzelfällen garantieren?“

[107] Zu den Details der vorstehend angeführten Veränderungen siehe: Editionsrichtlinien der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA). Berlin 1993, S. 15–42.

[108] Jacques Grandjonc, Jürgen Rojahn: Der revidierte Plan der Marx-Engels-Gesamtausgabe. In: MEGA-Studien 1995/2, S. 62–89.

[109] Siehe Richard: Das Vollständigkeitsprinzip der MEGA – editorischer Gigantismus? In: BzMEF.NF 1992, S. 21–33.[Wiederabdruck in „Edition auf hohem Niveau“ (siehe Anm. 78), S. 34–67.]

[110] Siehe Jacques Grandjonc, Jürgen Rojahn: Der revidierte Plan der Marx-Engels-Gesamtausgabe. A.a.O., S. 19.

[111] Siehe MEGA² IV/31, Einführung; vgl. dazu auch MEGA² Probeheft Marginalien (1983); Richard Sperl: Die Marginalien in den Büchern aus den persönlichen Bibliotheken von Marx und Engels ... A.a.O., S. 200–215.

[112] Dieter Henrich: Die Marx-Engels-Gesamtausgabe in der Akademieforschung. In: Akademie-Journal. Mitteilungsblatt der Konferenz der deutschen Akademien der Wissenschaften 2/1993, S. 20.

[113] Gerald Hubmann, Herfried Münkler, Manfred Neuhaus: „... es kömmt darauf an sie zu verändern“, a.a.O., S. 299–311.

[114] Siehe Jens Bisky in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 21. Mai 2011.

[115] Siehe Jürgen Herres: Die MEGA im Computerzeitalter. Rückblick, Stand und Perspektiven. In: MEGA-Studien 1999, S. 6–8; Tobias Ott: TUSTEP und die MEGA. Ebenda, S. 13–25. Dabei konnte man auch daran anknüpfen, dass die MEGA² bereits Mitte der 1980er Jahre als eine der ersten unter den großen Ausgaben in der DDR sich auf die Anwendungsmöglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung in der wissenschaftlichen Edition orientiert hatte. Siehe Manfred Neuhaus: Vom Zettelkasten zum Mikrochip. Elektronische Datenverarbeitung in der wissenschaftlichen Edition. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel (Leipzig) 51/1985, S. 963–968.

[116] Siehe Albert Kapr: Texte optimal erschließend, leicht handhabbar und zugleich ästhetisch schön. Zur Gestaltung der MEGA. In: Albert Kapr: Schrift und Buchkunst. Reden und künstlerische Arbeiten. Leipzig 1982, S. 171f. (Nachdruck in: BzMEF. NF 2014/15, S. 239–258) Claudia Reichel: Auswählen, Gliedern, Anordnen und logisch Lesbarmachen. Zur Typographie der MEGA. In: MEGA-Studien 1999, S. 34–52.

[117] Siehe Gerald Hubmann: Digitale Editionen. Editionsmethodische Anmerkungen zum derzeitigen Stand und Ausblick auf mögliche Optionen für die MEGA. In: MEGA-Studien 1999, S. 53–63; Regina Roth: Marx verlinkt. Kritische Bestandsaufnahme und mögliche Perspektiven. In: MEGA-Studien 1999, S. 64–67.

[118] Pressemitteilung der BBAW vom 19. Juli 2013.

[119] Folgende Bände wurden nachgedruckt: 5 (9. Aufl. 2009), 6 (8. Aufl. 1999), 17 (9. Aufl. 1999), 23 (23. Aufl. 2008), 24 (12. Aufl. 2010), 25 (16. Aufl. 2008), 26.1 (7. Aufl. 2000), 26.2 (6. Aufl. 2000), 27 (7. Aufl. 2000), 32 (5. Aufl. 2009), 34 (5. Aufl. 2000), 42 (2. Aufl. 2005)

[120] Bisher liegen folgende überarbeitete Nachauflagen vor: 1 (16. überarb. Aufl. 2006), 8 (9. überarb. Aufl. 2009), 13 (12. überarb. Aufl. 2015). 41 (1. Aufl. 2008), Supplement zu 23 auf CD (bearbeitet von Manfred Müller, 2011), 40 (3. überarb. und erw. Auflage 2012).

[121] Presseerklärung der BBAW vom 30. Oktober 2015.