Vom 4.-5. November richtete die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin einen international besetzten Kongress über „Perspektiven auf den Roten Oktober“ aus. Insgesamt 22 Referentinnen und Referenten aus sieben Ländern gingen mit Beiträgen über Westeuropa, Zentralasien, Lateinamerika und China globalen Folgen der Oktoberrevolution nach.
Sie behandelten einzelne demokratietheoretische und ökomische Aspekte der Übergangsgesellschaft bis hin zur Frage, ob es die Figur des „Neuen Menschen“ tatsächlich gegeben habe und was aus ihr geworden sei. Darüber hinaus reflektierten sie zeitgenössische Lesarten wie auch verschiedene Verarbeitungsstrategien von Linken heute bezogen auf die Vergangenheit der aus der Russischen Revolution heraus geborenen Gesellschaften (zum vollständigen Kongressprogramm).
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund diskutierten Janine Wissler und Michael Brie bereits am Vorabend des Kongresses, inwieweit das Erbe Lenins zwar „unausschlagbar“, aber für zukünftige Politiken eben auch „unannehmbar“ sei. Obwohl nicht alle Punkte in aller Ausführlichkeit behandelt werden konnten, begünstigte die Breite der Themen eine erstaunliche Tiefe der Auseinandersetzung. Bestechend waren dabei die Hinwendung und das Engagement des sehr sachkundigen Publikums. Die beiden Organisatoren, Christoph Jünke und Uwe Sonnenberg, konnten sich schließlich bei 250 Gästen bedanken und in der Abschlussdiskussion erfreut konstatieren, dass die Frage: „Wie stehst Du zur Oktoberrevolution?“ innerhalb der politischen Linken offenbar keine Gretchenfrage mehr zur Spaltung zu sein scheint.
Wir freuen uns, an dieser Stelle einzelne Kongressbeiträge veröffentlichen zu können. Dabei werden zum Teil Aufsätze (wieder)veröffentlicht, auf deren Grundlage die damaligen Inputreferate basierten:
- Dr. Gisela Notz: Die Frauen der russischen Revolution und ihre Impulse für die Feminismen des 20. Jahrhunderts
- Prof. Dr. Michael Brie: Was die Linke von Lenin lernen kann, es anders zu machen
- Christoph Jünke: Die Geburt des Sozialistischen Humanismus aus dem Geiste des Antistalinismus. Die Linie Luxemburg – Serge – Kofler
- Dr. Judith Dellheim: Über Neue Ökonomische Politik und Commons
- Dr. Dario Azzellini orientierte sich in seinem Diskussionsbeitrag an einem Vortrag über „Crisis and workers' control“, den er im Dezember 2015 auf der Athens Bienale hielt.
- Dr. Wladislaw Hedeler: Zwischen Demokratie und Revolution: Menschewiki vs. Bolschewiki
- Philippe Kellermann: Zur Wahrnehmung der Oktoberrevolution und des Bolschewismus im internationalen Anarchismus 1917 bis 1923
- Renate Hürtgen: Lesarten des Roten Oktober: Zur linken Aufarbeitung der russischen Revolution/Zur linken Aufarbeitung des 20. Jahrhunderts.
- Dr. Marcel Bois: Sein Impulsvortrag basierte auf seinem 2017 veröffentlichten Aufsatz: Kunst und Architektur für eine neue Gesellschaft. Russische Avantgarde, Arbeitsrat für Kunst und Wiener Siedlerbewegung in der Zwischenkriegszeit. Wir danken der Zeitschrift Arbeit-Bewegung-Geschichte für die Genehmigung, ihn wieder abdrucken zu können.
- Prof. Dr. Uli Schoeler: Bolschewismus oder Sozialdemokratie. Die österreichischen Sozialdemokraten und Sowjetrussland
Zum Nachhören hier die Vorträge von:
- Bini Adamczak: Postrevolutionäre Depression und bolschewistische Utopie
- Dr. Dr. h.c. Marcel van der Linden: Rückblick auf den realen Sozialismus im 20. Jahrhundert
- Jodi Dean (New York): The Red October and the idea of communism yesterday and today
- Boris Kagarlitzki (Moskau): Past and Presence of Revolution in Russia
Dokumentieren möchten wir auch einzelne Stimmen zum Kongress.
- Tagungsbericht von Riccardo Altieri auf H-Soz-Kult vom 30. November 2017
- Traurigkeit der Revolutionäre. Notizen von einer Konferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung zum «Roten Oktober» 1917. Von Karlen Vesper und Christopher Wimmer
- „Perspektiven auf den Roten Oktobers“ – Impressionen. Von RH.